Sitzung vom 15. Dezember 2016

Dekretentwurf zur Vereinfachung des Systems der lokalen Beschäftigungsagenturen

1. Beschlussfassung :

Die Regierung verabschiedet in dritter und letzter Lesung den Dekretentwurf zur Vereinfachung des Systems der lokalen Beschäftigungsagenturen.

Die Vize-Ministerpräsidentin, Ministerin für Kultur, Beschäftigung und Tourismus wird beauftragt, den Entwurf im Parlament zu hinterlegen.

2. Erläuterungen :

2.1. Das aktuelle Verwaltungsmodell der lokalen Beschäftigungsagenturen

Seit dem 1. Januar 2016 ist die Deutschsprachige Gemeinschaft zuständig für das System der lokalen Beschäftigungsagenturen (LBA). Dieses System verfolgt zwei Ziele: das Anbieten von gesellschaftlich relevanten Dienstleistungen, für die es im regulären Wirtschaftszyklus kein Angebot gibt, sowie die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen und Empfängern des Eingliederungseinkommens oder der Sozialhilfe.

Die LBA sind als Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht konstituiert. Sowohl Privatpersonen als auch Rechtspersonen haben die Möglichkeit, verschiedene Dienstleistungen von einem LBA-Arbeitnehmer ausführen zu lassen, der in Form von LBA-Schecks bezahlt wird. Der LBA-Arbeitnehmer erhält so die Möglichkeit, sich zusätzlich zu seinem Ersatzeinkommen einen Nebenverdienst zu schaffen.

Im LBA-System werden zahlreiche Aufgaben von der ausgebenden Gesellschaft der LBA-Schecks wahrgenommen, die durch einen öffentlichen Auftrag bezeichnet wird. Der aktuelle Auftrag läuft noch bis zum 31. Dezember 2017. Im Frühjahr 2017 muss ein neues Lastenheft erstellt und der Auftrag ab dem 1. Januar 2018 neu vergeben werden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Lastenheftes muss der rechtliche Rahmen der LBA, der ab dem 1. Januar 2018 gültig sein wird, klar definiert sein.

Das aktuelle Verwaltungsmodell der LBA ist sehr komplex. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft gibt es vier LBA-VoG (Eupen, Kelmis-Lontzen, Raeren, sowie die fünf Eifel-Gemeinden), denen vom Arbeitsamt Personal zur Verfügung gestellt wird. Der Verwaltungsrat einer LBA muss zwischen 12 und 24 Mitgliedern haben und besteht zur Hälfte aus Gemeindevertretern (proportional zu den Mehrheitsverhältnissen im Gemeinderat) und zur Hälfte aus Sozialpartnern. Im Rahmen der rechtlichen Vorgaben bestimmt der Verwaltungsrat, wie das LBA-System in der jeweiligen Gemeinde gestaltet wird (erlaubte Aktivitäten, Scheckpreise pro Aktivität usw.). Die LBA muss die VoG-Rechtsvorschriften einhalten (Statuten, Ernennungen der Verwalter, Beschlussfassungen, Hinterlegung der Konten usw.). Sie erhält einen Zuschuss für Verwaltungskosten vom Ministerium und wird an den Einnahmen aus dem Scheckverkauf beteiligt.

2.2. Vereinfachung des LBA-Systems – Integration der Aufgaben der VoG ins Arbeitsamt

Die Übertragung der Zuständigkeit an die Deutschsprachige Gemeinschaft bietet die Möglichkeit, das LBA-System deutlich zu vereinfachen. Aus diesem Grund sollen die Aufgaben der LBA-VoG ab dem 1. Januar 2018 vom Arbeitsamt übernommen werden:

Die Beschlüsse, die momentan von den einzelnen Verwaltungsräten der LBA gefasst werden, werden zukünftig im Verwaltungsrat des Arbeitsamtes gefasst. Somit gelten in der Deutschsprachigen Gemeinschaft überall die gleichen Regeln.

Anstelle von vier separaten Buchführungen werden die Finanzflüsse des LBA-Systems direkt in die Buchführung des Arbeitsamtes integriert.

Durch die Integration der LBA ins Arbeitsamt ist keine Zurverfügungstellung von Personal mehr notwendig. Die LBA-Mitarbeiter werden ihre Arbeit in den Räumlichkeiten des Arbeitsamtes verrichten.

Die räumliche Nähe wird außerdem die Anbindung an die Fachbereiche des Arbeitsamtes mit ihren verschiedenen Angeboten erleichtern.

Durch die Abänderung des Erlassgesetzes vom 28. Dezember 1944 über die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer soll das Arbeitsamt auf dem deutschen Sprachgebiet als einzige lokale Beschäftigungsagentur eingesetzt werden.

2.3. Auszahlung der LBA-Schecks durch das Arbeitsamt

Die Auszahlung der LBA-Schecks wird im aktuellen LBA-System von den Zahlstellen (CSC, FGTB, CGSLB, Hilfszahlstelle für Arbeitslosenunterstützungen (HfA)) und den ÖSHZ wahrgenommen. Einer möglichen Zusammenarbeit der Deutschsprachigen Gemeinschaft mit den Zahlstellen stehen auf föderaler Ebene einige Probleme im Wege.

HfA (=CAPAC)

Das Vertikalitätsprinzip besagt, dass es einem Gliedstaat nicht erlaubt ist, durch einen einseitigen Beschluss und aufgrund der gemeinschaftlichen/regionalen Rechtsvorschriften unmittelbar eine föderale Behörde mit gewissen Aufgaben zu beauftragen. Aufgrund dieses Prinzips wird die HfA definitiv nicht für die Deutschsprachige Gemeinschaft arbeiten können. Das Anbieten einer neutralen Zahlstelle ist jedoch rechtlich verpflichtend.

Private Zahlstellen (CSC, FGTB, CGSLB)

Die privaten Zahlstellen werden vom Föderalstaat anerkannt (Artikel 17 des Königlichen Erlasses vom 25. November 1991 zur Regelung der Arbeitslosigkeit) und besitzen eine eigene Rechtspersönlichkeit. Der Vereinigungszweck der Zahlstellen war bisher auf die Anwendung der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit begrenzt. Durch die Regionalisierung sind die LBA (sowie die anderen regionalisierten Zuständigkeiten) jedoch nicht mehr Teil der sozialen Sicherheit. Der Königliche Erlass vom 30. August 2016 ändert daher den Artikel 17 ab und ermöglicht den privaten Zahlstellen, Aufgaben in den regionalisierten Zuständigkeiten (also außerhalb der sozialen Sicherheit) im Auftrag der Regionen wahrzunehmen. Damit die privaten Zahlstellen weiterhin die LBA-Schecks auszahlen dürften, müssten sie jedoch eine Abänderung der Statuten vornehmen, die durch einen Königlichen Erlass bestätigt werden muss. Einzige Alternative wäre, in der Deutschsprachigen Gemeinschaft eine eigene Rechts-persönlichkeit gründen.

Da einerseits die juristischen Probleme bezüglich der Auszahlung der LBA-Schecks durch die Zahlstellen kurzfristig nicht zu lösen sind, andererseits aber die Rechtsgrundlagen des neuen LBA-Systems bereits im Frühjahr 2017 klar definiert sein müssen, soll die Auszahlung der LBA-Schecks ab dem 1. Januar 2018 vom Arbeitsamt wahrgenommen werden.

Für die ÖSHZ bestehen diese juristischen Probleme bezüglich der Auszahlung der LBA-Schecks nicht. Da jedoch nur ein sehr geringer Anteil (5-7 %) der LBA-Schecks durch die ÖSHZ ausgezahlt wird, sollen im Sinne der Verwaltungsvereinfachung und der Effizienzsteigerung auch diese Auszahlungen ab dem 1. Januar 2018 vom Arbeitsamt durchgeführt werden.

Durch die Abänderung des Dekretes vom 17. Januar 2000 zur Schaffung eines Arbeitsamtes in der Deutschsprachigen Gemeinschaft soll die Auszahlung der LBA-Schecks in den Aufgaben des Arbeitsamtes festgehalten werden.

3. Finanzielle Auswirkungen :

Durch die Integration der Aufgaben der LBA-VoG ins Arbeitsamt entfallen ab dem 1. Januar 2018 die Zuschüsse für Verwaltungsunkosten, die im Artikel 3 des Königlichen Erlasses vom 10. Juni 1994 zur Ausführung von Artikel 8 §1 und §6 des Erlassgesetzes vom 28. Dezember 1944 über die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer festgelegt werden (2.478,94 €/VZÄ). 2016 beliefen sich diese Zuschüsse auf 10.164 € (OB 30 PR 23 EWK 33.10).

Die Beteiligung am Scheckverkauf, die die LBA-VoG bisher erhielten (gemäß Artikel 79 § 9 des Königlichen Erlasses vom 25. November 1991 zur Regelung der Arbeitslosigkeit sowie Artikel 5 des Königlichen Erlasses vom 17. Dezember 1999 bezüglich der LBA-Arbeitnehmer, deren Entlohnung durch die ÖSHZ gezahlt wird), wird ab dem 1. Januar 2018 das Ministerium erhalten. 2015 belief sich diese Beteiligung insgesamt auf 25.449 €.

Die Zahlstellen und die ÖSHZ erhalten aktuell eine Entschädigung von 0,1116 € pro ausgezahlten LBA-Scheck (festgelegt im Artikel 54 des Ministeriellen Erlasses vom 26. November 1991 zur Anwendung der Regelung der Arbeitslosigkeit). Im Jahr 2015 wurden in der Deutschsprachigen Gemeinschaft 58.871 LBA-Schecks ausgezahlt. Die Entschädigung der Zahlstellen und der ÖSHZ belief sich 2015 demnach auf insgesamt 6.570 €. Diese Kosten fallen ab dem 1. Januar 2018 weg, da die Auszahlungen vom Arbeitsamt wahrgenommen werden.

Aufgrund der Auszahlung der LBA-Schecks  durch das Arbeitsamt fallen jedoch ab dem 1. Januar 2018 zusätzliche Verwaltungskosten beim Arbeitsamt an. Die oben erwähnten Beträge (10.164 € + 25.449 € + 6.570 € = 42.182 €) können hierfür verwendet werden.       

4. Gutachten :

Das Gutachten des Juristen des Fachbereichs Lokale Behörden und Kanzlei vom 26. September 2016 liegt vor.

Das Protokoll S6/2016 des Sektorenausschusses XIX der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 21. Oktober 2016 liegt vor.

Das Gutachten des Finanzinspektors vom 24. Oktober 2016 liegt vor.

Das Einverständnis des Ministerpräsidenten, zuständig für den Haushalt, vom 27. Oktober 2016 liegt vor.

Das Gutachten des Staatsrates Nr. 60.374/4 vom 22. November 2016 liegt vor.

In seinem Gutachten Nr. 60.374/4 vom 22. November 2016 weist der Staatsrat darauf hin, dass einige der vorgelegten Abänderungen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Deutschsprachigen Gemeinschaft fallen.

Der Staatsrat ist zunächst der Ansicht, dass die Regionen und die Deutschsprachige Gemeinschaft das LBA-System sehr wohl abschaffen, ausweiten, abändern oder ersetzen können, jedoch allein der Föderalstaat für Angelegenheiten, die das Arbeitsrecht betreffen, zuständig bleibt. Somit sei es nicht Sache der Deutschsprachigen Gemeinschaft, eine Bestimmung über das Wohlbefinden der Arbeitnehmer abzuändern beziehungsweise die Rechtsgrundlage zur Überlassung von Arbeitnehmern im Rahmen des LBA-Systems aufzuheben.

Obschon die angedachten Änderungen eher technischer Natur waren und allein die Leserlichkeit des abzuändernden Erlassgesetzes verbessern sollten, wurde diese Bemerkung des Staatsrates umgesetzt, indem die betreffenden Änderungen entfernt wurden.

Abschließend bemerkt der Staatsrat, dass ausschließlich die Wallonische Region auf dem deutschen Sprachgebiet für die Förderung der Dienstleistungen und Arbeitsplätze im Nahbereich zuständig sei. Die Bestimmung, durch die die gesetzliche Grundlage, die es den LBA ermöglicht, das System der Dienstleistungsschecks anzubieten, aufgehoben wird, könne somit nicht durch die Deutschsprachige Gemeinschaft verabschiedet werden.

Auch dieser Bemerkung des Staatsrates wurde Rechnung getragen, indem die betreffende Bestimmung gestrichen wurde.

Das Gutachten des Wirtschafts- und Sozialrates der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 22. November 2016 liegt vor. Wie der Wirtschafts-und Sozialrat in seinem Gutachten vom 22. November 2016 bemerkt, sind seine Vorschläge bezüglich der Neugestaltung des LBA-Systems nicht auf dekretaler Ebene umzusetzen. Vor diesem Hintergrund stellt der Wirtschafts- und Sozialrat dem Dekretvorentwurf ein positives Gutachten aus.

5. Rechtsgrundlage :

Artikel 6 §1 Punkt IX. Nummer 11 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen;

Artikel 1 Absatz 1 des Dekretes vom 10. Mai 1999 zur Ausübung der Befugnisse der Wallonischen Region in den Angelegenheiten Beschäftigung und Ausgrabungen durch die Deutschsprachige Gemeinschaft;

Die Anpassung des Erlassgesetzes vom 28. Dezember 1944 hat zur Folge, dass mehrere Erlasse angepasst werden müssen:

  • der Königliche Erlass vom 25. November 1991 zur Regelung der Arbeitslosigkeit;

  • der Königliche Erlass vom 17. Dezember 1999 bezüglich der LBA-Arbeitnehmer, deren Entlohnung durch die ÖSHZ gezahlt wird;

  • der Königliche Erlass vom 10. Juni 1994 zur Ausführung von Artikel 8 §1 und §6 des Erlassgesetzes vom 28. Dezember 1944;

  • der Erlass der Regierung vom 17. Juli2003 zur Bestimmung der Rechtsposition des unter Arbeitsvertrag eingestellten Personals des Ministeriums der Deutschsprachigen Gemeinschaft und bestimmter Einrichtungen öffentlichen Interesses.