Sitzung vom 31. März 2017

Trilaterale Vereinbarung mit dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Aachen betreffend die Einrichtung einer Wegweiser-Anlaufstelle in Ostbelgien und Bestellung einer Trägerstruktur

1. Beschlussfassung

Die Regierung genehmigt die trilaterale Vereinbarung mit dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Aachen betreffend die Einrichtung einer Wegweiser-Anlaufstelle in Ostbelgien.

Die Regierung bestimmt das Zentrum für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, Kaleido Ostbelgien, als verantwortlichen Träger für die Umsetzung des Wegweiser-Programms auf dem Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft.

Der Ministerpräsident und der Minister für Bildung und wissenschaftliche Forschung werden mit der Durchführung der Beschlüsse beauftragt.

2. Erläuterungen

2.1. Grundlagen

Spätestens seit den terroristischen Anschlägen in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin (u.a.) ist die Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus eine zentrale Aufgabe aller politischen und gesellschaftlichen Akteure in West-Europa, zu der auch die DG einen Beitrag leisten kann.

So verabschiedete die Regierung am 28.06.2016 eine eigene Strategie zur Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus , die sich an den belgischen Referenzplänen „Note-cadre de Sécurité intégrale“ (NCSI)  und „Plan d’action Radicalisme“ (Plan R)  orientiert. Die Strategie beinhaltet vier thematische Säulen, in die insgesamt fünfzig konkrete Maßnahmenvorschläge einfließen.

2.2. Programm „Wegweiser – gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus“

Die Maßnahme Nr. 9 der Strategie zur Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus behandelt die Eruierung einer Partnerschaft mit dem nordrhein-westfälischen Wegweiser-Programm und insbesondere der geplanten Wegweiser-Anlaufstelle in Aachen.

Beim Programm „Wegweiser – gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus“ handelt es sich um eine Initiative des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (MIK), mit dem Ziel, vor Ort ein umfassendes Beratungs-, Informations- und Unterstützungsangebot zur Prävention von salafistisch motivierter Radikalisierung zu schaffen. Das Angebot richtet sich sowohl an ratsuchende oder gefährdete junge Menschen, als auch an Familienangehörige und das Umfeld bereits radikalisierter Personen (Freunde, Lehrer etc.). Zudem bietet es Unterstützung und Aufklärung bei allgemeinen Fragen rund um die Themen Salafismus, Islamismus und Radikalisierung.

Wegweiser führt in kommunal verankerter Trägerschaft und unter der Gesamtkoordination des MIK konkrete Beratungs-, Informations- und Hilfsangebote durch. Dabei werden fallbezogen örtlicher Akteure (sog. „Netzwerkpartner“) einbezogen, die zur Problemlösungsstrategie und zu deren konkreten Umsetzung ihre fachliche Expertise einbringen.

Das Programm verfügt zurzeit über insgesamt zehn Anlaufstellen im Bergischen Land, in Bochum, Bonn, Dinslaken/Kreis Wesel, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Köln, Münster und Mönchengladbach und wird voraussichtlich in Kürze eine Anlaufstelle in Aachen eröffnen.

2.3. Einrichtung einer Wegweiser-Anlaufstelle in Ostbelgien

Im Rahmen der Strategie zur Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus soll eine ostbelgische Anlaufstelle für die Durchführung von Beratungs-, Informations- und Hilfsangeboten in Bezug auf gewaltsamen Radikalismus zu geschaffen werden. Hierfür soll insbesondere auf die Expertise des Wegweiser-Programms zurückzugriffen werden.

Die Regierung strebt vor diesem Hintergrund eine trilaterale Partnerschaft mit dem MIK und der Stadt Aachen an.

Die Stadt und die Regierung unterstützen ihre Betreuer/innen bei Bedarf jeweils gegenseitig mit fachlicher Expertise. Die Regierung und die Stadt gewährleisten die Möglichkeit eines regelmäßigen fachlichen Austauschs zwischen den Betreuer/innen ihrer Wegweiser-Anlaufstellen.

Bei der Durchführung von Fortbildungen/Supervisionen für die Betreuer/innen beziehen sich das MIK, die Stadt und die DG gegenseitig ein.          

Über die Einbeziehung von ostbelgischen Netzwerkpartnern (siehe hierüber) soll eine möglichst effiziente Arbeitsweise erzielt werden. Ostbelgische Netzwerkpartner sind u.a.: der Träger, die neun Gemeinden in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, den paragemeinschaftlichen Dienst „Kaleido Ostbelgien“, der Dienst „Info Integration“, die Regierung, die Fachbereiche Jugend, Jugendhilfe, Familie und Soziales sowie Pädagogik im Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft, religiöse (insb. muslimische) Verbände in Ostbelgien sowie die lokale Polizei. Langfristig wird die Erweiterung der Netzwerkpartnerschaft durch weitere geeignete Institutionen angestrebt.

2.4. Verantwortlichkeiten

Die Regierung bestellt einen Träger für die Umsetzung des Wegweiser-Programms auf dem Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft und insbesondere für die Durchführung konkreter Beratungs- und Unterstützungsangebote für Hilfesuchende und Anfragende rund um gewaltsame Radikalisierung, Schwerpunkt extremistischer Salafismus.

Der Träger richtet sich bei der Durchführung seines Auftrags an den Leitlinien des Wegweiser-Programms NRW aus.

Die Regierung stellt dem Träger die zur Einstellung von geeignetem Personal zur Erfüllung der Beratungsaufgabe notwendigen finanziellen Ressourcen in Höhe von maximal einem Vollzeitäquivalent zur Verfügung. Besagte Personalkräfte werden als „Betreuer/innen“ bezeichnet.

Die Regierung gewährt dem Träger eine finanzielle Unterstützung in Höhe von jährlich 5.000 EUR zur Deckung von Funktionskosten.

Der Träger verantwortet die Verfügbarkeit angemessener Räumlichkeiten und einer angemessenen Büroausstattung zur Durchführung der  Beratungs-, Informations- und Hilfsangebote.

Der Träger übt in enger Absprache mit dem Koordinator für die Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus  die fachliche Aufsicht über die Betreuer/innen aus. Er berät sich hierzu regelmäßig mit dem Wegweiser-Beirat (siehe hiernach).

Weiterhin verantwortet der Träger die regelmäßige und angemessene Weiterbildung der Betreuer/innen.

Die fachliche Begleitung und Steuerung des Wegweiser-Programms erfolgt durch ein beratendes Gremium (Beirat), dessen Einrichtung der Koordinator für die Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus verantwortet. Diesem Beirat gehören der Koordinator für die Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus als Vorsitzender sowie jeweils ein Vertreter des Trägers, des Kabinetts des Bildungsministers, der Polizeizonen Weser-Göhl und Eifel, des Trägers der Wegweiser-Anlaufstelle Aachen und des MIK an. Der Beirat kommt regelmäßig, bedarfs- und anlassbezogen mindestens alle vier Monate zusammen.

2.5. Trägerschaft

Aufgrund folgender Profileigenschaften, die den Profilempfehlungen des MIK für den Träger einer Wegweiser-Anlaufstelle entsprechen, hält die Regierung eine Trägerschaft durch Kaleido Ostbelgien für wünschenswert:

  • Der Träger ist eine säkulare, regional verankerte Organisation öffentlichen Rechts

  • Expertise in den Fachgebieten Kinder- und Jugendhilfe (hier als thematische Schwerpunkte verstanden, nicht im belgisch-strukturellen Sinne)

  • Erfahrungen in der unmittelbaren Präventionsarbeit

  • Grundlegende Erfahrungen in der Jugendarbeit

  • Grundlegende Erfahrungen in der Beratungsarbeit

Am 16. Februar 2017 erklärte sich Kaleido Ostbelgien, vertreten durch den Verwaltungsrat, grundsätzlich bereit,  die Trägerschaft der Wegweiser-Anlaufstelle Ostbelgien zu übernehmen.

Am 23. März 2017 fand eine Sitzung des Wegweiser-Netzwerks Ostbelgien statt. Das Netzwerk äußerte sich positiv gegenüber einer Trägerschaft der Wegweiser-Anlaufstelle Ostbelgien durch Kaleido Ostbelgien.

2.6. Rekrutierung

Die Regierung beauftragt Kaleido Ostbelgien mit der Rekrutierung geeigneter Betreuer/innen. Die Rekrutierung findet unter Einbeziehung des Koordinators für die Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus statt.

Die Betreuer/innen sollten auf Basis folgender Profil-Idealanforderungen des MIK im Rahmen des Wegweiser-Programms:

  • Sozialpädagogischer und/oder islamwissenschaftlicher Abschluss oder vergleichbarer Abschluss

  • Gute Vernetzung mit relevanten Akteuren vor Ort (z.B. Behörden, Soziale Träger, Polizei usw.)

  • Erfahrung in der Beratungsarbeit

  • Erfahrung in der Jugendarbeit

  • Mehrsprachigkeit / vertiefte Kenntnisse in relevanten Sprachen

  • Fundierte Kenntnisse über den Islam/Islamismus/Salafismus

  • Interkulturelle Kompetenz

  • Vertiefte Kenntnisse über die Lebenswelt junger Muslime in Ostbelgien

  • Erfahrung in der Arbeit mit Multiplikatoren und in der Öffentlichkeitsarbeit

  • Fähigkeit zu selbstständigem und zielorientiertem Arbeiten

  • Hohe Kooperationsfähigkeit sowie sicheres und verbindliches Auftreten

  • Bereitschaft zur Durchführung von Sensibilisierungs- und Vortragstätigkeiten

  • Reflexionsfähigkeit und Bereitschaft zur Supervision

Neben der Durchführung von Beratungs-, Informations- und Hilfsangeboten in Bezug auf gewaltsamen Radikalismus im Rahmen des Wegweiser-Programms unterstützen die Betreuer/innen die Umsetzung der Strategie zur Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus.

2.7. Sicherheitsrelevanz

Immer wenn während der Umsetzung des Wegweiser-Programms Zweifel bestehen, ob ein Fall mit Sicherheitsrelevanz vorliegt, erfolgt eine mündliche/telefonische Kontaktaufnahme des/der zuständigen Betreuers/Betreuerin mit dem zuständigen Kontaktbeamten der lokalen Polizeizonen Weser-Göhl oder Eifel. Dabei erfolgt eine zunächst abstrakte Schilderung des Sachverhalts (ohne konkrete Namensnennung und andere personenbezogene Daten). In diesem Gespräch wird Klärung herbeigeführt, ob der geschilderte Sachverhalt Merkmale mit Sicherheitsrelevanz erfüllt  oder nicht.

Wenn  feststeht, dass ein Fall mit Sicherheitsrelevanz vorliegt, teilt der/die Betreuer/in den Sachverhalt mit allen personenbezogenen Daten dem zuständigen Kontaktbeamten der lokalen Polizeizonen Weser-Göhl oder Eifel mit.

Die Mitteilung, durch den Träger oder einen/eine Betreuer/in, im Rahmen der Beratung auftretender sicherheitsrelevanter Sachverhalte an die Stadt oder das MIK ist grundsätzlich ausgeschlossen. Grenzüberschreitende Austausche über derartige Sachverhalte erfolgen zwischen den hierfür zuständigen Polizei- und Sicherheitsbehörden.

3. Finanzielle Auswirkungen

Die zur Umsetzung des Wegweiser-Programms notwendigen Mittel belaufen sich auf jährlich 50.000 EUR, zu Lasten des Organisationsbereichs 30. Diese setzen sich aus 45.000 EUR Personalkosten zuzüglich 5.000 EUR Funktionskosten zusammen.

Im Rahmen der ersten Haushaltsanpassung 2017 müssen die entsprechende Zuweisung festgelegt und die nötigen Mittel dort vorgesehen werden.

4. Gutachten

Das Gutachten des Finanzinspektors vom 28.03.2017 liegt vor.

5. Rechtsgrundlagen

Es liegen keine Rechtsgrundlagen vor.