Sitzung vom 20. April 2017

Abänderungsvorschläge zum Dekretentwurf über Maßnahmen im Unterrichtswesen 2017

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in erster Lesung die Abänderungsvorschläge zum Dekretentwurf über Maßnahmen im Unterrichtswesen 2017.

Die Regierung beschließt die Abänderungsvorschläge dem Sektorenausschuss XIX der Deutschsprachigen Gemeinschaft sowie dem Unterausschuss für Lokal- und Provinzialbehörden zwecks Verhandlung in Dringlichkeit vorzulegen.

Der Minister für Bildung und wissenschaftliche Forschung wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

Industrielehrvertragskommissionen (Art. 24.1)

Inkrafttreten: 1. Juli 2017

Die Regierung schlägt vor, der Industrielehrvertragskommissionen die Möglichkeit zu geben, zusätzlich zu ihren regulären Mitgliedern Experten mit beratender Stimme zu ihren Sitzungen zuzulassen.

Die Regierung möchte der Bitte des Nahrungssektors (bzw. der ALIMENTO – IFP VoG) vom 23. März 2017 nachkommen, eine identische Funktionsweise und Zusammenstellung der Nahrungsindustrielehrvertragskommission der Deutschsprachigen Gemeinschaft wie in der Wallonischen Region zu ermöglichen. Konkret bedeutet dies zum jetzigen Zeitpunkt, dass vier Experten (drei von ALIMENTO und einen föderalen Experten) zu den Sitzungen zugelassen werden.

Stundenkapital Förderschule (Art. 24.2)

Inkrafttreten: 1. September 2017

Die Bestimmung des Artikel 31ter des Dekrets vom 27. Juni 1990 zur Bestimmung der Weise wie die Dienstposten für das Personal im Förderschulwesen festgelegt werden, schränkt die Möglichkeiten des Artikels 53bis desselben Dekrets ein. Artikel 31ter eröffnet die Möglichkeit für eine Förderschule eine halbe Stelle als Kindergärtner/in oder Primarschullehrer/in eine halbe Stelle als Erzieher/in umzuwandeln. Artikel 53bis öffnet die Möglichkeit der Umwandlung auf allen Schulebenen für alle Personalkategorien ohne quantitativer Einschränkung.

Schaffung einer zusätzlichen halben Stelle am Kompetenzzentrum (Art. 26 Nummer 1)

Inkrafttreten: 1. September 2017

Dem Kompetenzzentrum des Zentrums für Förderpädagogik stehen momentan 11,5 Stellen im Amt des förderpädagogischen Beraters zur Verfügung. Vor dem Hintergrund, dass das Kompetenzzentrum künftig auch im Bereich der Hochbegabtenförderung beratend aktiv werden soll, wird vorgeschlagen, das Stellenkapital zum 1. September 2017 um eine zusätzliche halbe Stelle zu erhöhen.

Artikel 26 Nummer 2 bleibt im Vergleich zum Dekretentwurf unverändert.

Krankheit bei Opfer einer Straftat (Art. 48.1)

Inkrafttreten: 1. September 2017

Wird ein Personalmitglied während der Ausübung seines Dienstes Opfer einer mutmaßlichen Straftat und ist infolge dieser Straftat arbeitsunfähig, werden für die Dauer dieser Arbeitsunfähigkeit keine Krankheitstage abgezogen.

Diese Regelung, die 2014 eingeführt wurde, greift, wenn nachfolgende Bedingungen erfüllt sind:

das Opfer hat zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Straftat sein Amt ausgeübt, war also im Dienst;

die Staatsanwaltschaft hat offiziell Anklage erhoben;

der Kontrollarzt bestätigt, dass die Arbeitsunfähigkeit des Opfers unmittelbar in Zusammenhang mit dieser mutmaßlichen Straftat steht.

Die Entscheidung des Kontrollarztes ist stets befristet; sie kann jedoch verlängert werden. Der Beschluss des Arztes wird jedoch erst mit der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft wirksam. Gegen die Entscheidung des Amtsarztes besteht keine Einspruchsmöglichkeit.

Die hierüber beschriebene Regelung findet demzufolge Anwendung, sobald die Staatsanwalt Anklage gegen den mutmaßlichen Täter erhoben hat. Es ist nicht erforderlich, dass der mutmaßliche Täter verurteilt wird, um in den Genuss der Regelung zu gelangen.

Allerdings beinhaltet der Rechtstext keine Bestimmung zur maximalen Dauer dieser Maßnahme, so dass ein Personalmitglied, das in den Anwendungsbereich der Regelung fällt, im Prinzip unendlich lange wegen Krankheit abwesend sein könnte, ohne dass ein Krankentag abgezogen würde. Da eine solche Handhabung jedoch auch nicht bei Personalmitgliedern, die Opfer eines Arbeitsunfalls oder eines Unfalls auf dem Arbeitsweg wurden, praktiziert wird und nach einem bestimmten Zeitraum eine Konsolidierung erfolgt, wird in Analogie hierzu vorgeschlagen, die Maßnahme zeitlich zu befristen und den Rechtstext dahingehend zu präzisieren, dass die Regelung spätestens nach einer Zeitspanne von fünf Jahren, beginnend ab dem ersten Tag der Abwesenheit wegen Krankheit, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der mutmaßlichen Straftat steht, endet.

Wird ein Personalmitglied beispielsweise am 15. März 2017 Opfer einer mutmaßlichen Straftat mit der Folge, dass es ab dem 1. Juni 2017 abwesend wegen Krankheit ist, so kann die hierüber angeführte Regelung maximal bis 31. Mai 2022 Anwendung finden.

Vertikale Umsetzung der Europäischen Richtlinie 2005/36/EG für das Unterrichtswesen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft (Art. 73.1-73.12)

Inkrafttreten: am Tag der Verabschiedung

Jeder Artikel dieses Kapitels setzt einen bestimmten Artikel der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005, zuletzt abgeändert durch Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013, in Bezug auf die reglementierten Berufe in den durch die Deutschsprachige Gemeinschaft organisierten oder subventionierten Unterrichtseinrichtungen um.

Die Ausübung reglementierter Berufe ist vom Besitz bestimmter Ausbildungsnachweise abhängig. Daher müssen im Ausland erlangte Berufsqualifikationen anerkannt werden, bevor diese reglementierten Berufstätigkeiten im Unterrichtswesen der Deutschsprachigen Gemeinschaft ausgeübt werden dürfen.

Die EU-Richtlinie 2005/36/EG regelt diese berufliche Anerkennung im Bereich der reglementierten Berufe. Sie gilt für alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU), des sonstigen Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Schweiz, die ihre Qualifikation in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat bzw. der Schweiz erworben haben. Die Anerkennung einer Berufsqualifikation durch der Regierung gewährt ihrem Inhaber den gleichen Zugang zu demselben Beruf und unter denselben Voraussetzungen wie Personen, die diese Berufsqualifikation in Belgien erlangt haben.

Ziel der Richtlinie 2005/36/EG ist es, die Prozedur zur Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Berufsqualifikation festzulegen. Im Fokus liegen dabei die Vereinfachung behördlicher Anerkennungsverfahren (sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die zuständigen Behörden), die Erleichterung der Mobilität der Arbeitnehmer und der Verbraucherschutz.

Die Bestimmungen der Richtlinie werden in vorliegendem Kapitel für die reglementierten Berufe im Unterrichtswesen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft umgesetzt.

Kaleido – Berufsgeheimnis (Art. 74.1 und 82.1)

Inkrafttreten: 1. September 2017

Eine der Voraussetzungen für das sogenannte geteilte Berufsgeheimnis ist, dass die betroffene Person grundsätzlich ihr Einverständnis für einen Informationsaustausch zwischen den „Geheimnisträgern“ erteilt hat. Im Falle der Kaleido-Personalmitglieder kann das Einverständnis als prinzipiell erteilt betrachtet werden, da das Zentrum per Definition ein Dienst ist, der von den betroffenen Personen aufgesucht wird; dies setzt somit immer ein Einverständnis voraus, überhaupt mit Kaleido zusammenarbeiten zu wollen. Aus diesem Grund wurde bei der Ausarbeitung des Dekrets nicht ausdrücklich auf das Einverständnis verwiesen.

Im Zuge weiterer Beratung wurde jedoch ersichtlich, dass die aktuelle Formulierung des Artikels 4.11 §2 missverständlich sein könnte. Daher wird vorgeschlagen, explizit im erwähnten Artikel zu verankern, dass – unbeschadet der anderen Bestimmungen dieses Artikels – das Einverständnis der betroffenen Personen vorliegen muss, bevor eine Übermittlung von Informationen stattfinden kann. (Art. 74.1)

Zurzeit unterliegen die Personalmitglieder in den Schulen der Schweigepflicht, deren Verletzung keine strafrechtlichen Folgen nach sich zieht. Dies ändert sich bei der Einführung des geteilten Berufsgeheimnisses, dessen Verletzung eine strafrechtliche Verfolgung nach sich zieht.

Um das Personal in den Schulen bestens auf die Anwendung des Art.4.11 Berufsgeheimnis vorbereiten zu können, ist die Erstellung eines Leitfadens für die Hand der Personalmitglieder unbedingt erforderlich.

Dieser Leitfaden muss vor der Veröffentlichung juristisch geprüft werden und wird dann Gegenstand intensiver Informationsveranstaltungen während des Schuljahres 2017-2018 in den Schulen sein. Infolgedessen wird vorgeschlagen das Inkrafttreten auf diesen Zeitpunkt zu verschieben. (Art. 82.1)

3. Finanzielle Auswirkungen:

Industrielehrvertragskommissionen (Art. 24.1)

Gegebenenfalls zusätzliche Anwesenheitsgelder und Fahrtentschädigungen für diese Experten zu Lasten des IAWM gemäß Art. 58 des Gesetzes über die Industrielehre vom 19. Juli 1983, ersetzt durch das Dekret vom 20. Juni 2016.

Schaffung einer zusätzlichen halben Stelle am Kompetenzzentrum (Art. 26 Nummer 1)

Diese Maßnahme zieht finanzielle Auswirkungen mit sich. Wird die zusätzliche halbe Stelle im Amt des förderpädagogischen Beraters von einem Personalmitglied besetzt, das Inhaber eines Bachelor-Diploms ist, so belaufen sich die jährlichen Mehrkosten bei einem finanziellen Dienstalter von 5 Jahren auf rund 20.600 €. Wird die Stelle von einem Personalmitglied bekleidet, das Inhaber eines Masterdiploms ist, so ist bei einem finanziellen Dienstalter von 5 Jahren mit jährlichen Mehrkosten von rund 26.000 € zu rechnen.

Krankheit bei Opfer einer Straftat (Art. 48.1)

Nach Ablauf der 5 Jahre werden dem Personalmitglied, wenn es weiterhin abwesend sein sollte, Krankentage abgezogen. Sobald das zur Verfügung stehende Kapital an Krankentagen erschöpft ist, fällt das Personalmitglied zu Lasten der Krankenkasse und wird demzufolge nicht mehr von der Deutschsprachigen Gemeinschaft besoldet. Handelt es sich um ein definitiv ernanntes Personalmitglied, fällt es zur Disposition wegen Stellenmangels und bezieht nur mehr 70% seines Gehalts.

Die Einsparungen exakt zu beziffern, erweist sich als unmöglich, da nicht abzusehen ist, wie lange das Personalmitglied, das Opfer einer vermeintlichen Straftat wurde, abwesend sein wird und ggf. zu Lasten der Krankenkasse oder zur Disposition wegen Stellenmangels fällt. Zudem können die Einsparungen von Fall zu Fall recht unterschiedlich sein, abhängig von der Gehaltsstufe des Personalmitglieds und der Tatsache, ob es sich um ein definitiv ernanntes oder zeitweiliges Personalmitglied handelt

4. Gutachten:

Das Gutachten der Juristen des Fachbereichs Lokale Behörden und Kanzlei vom 18. April 2017 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

Artikel 130 der Verfassung

Gesetz vom 19. Juli 1983 über die Industrielehre

Dekret vom 27. Juni 1990 zur Bestimmung der Weise, wie die Dienstposten für das Personal im Förderschulwesen festgelegt werden

Dekret vom 30. Juni 2003 über dringende Maßnahmen im Unterrichtswesen 2003

Dekrets vom 25. Mai 2009 über Maßnahmen im Unterrichtswesen und in der Ausbildung 2009

Dekret vom 31. März 2014 über das Zentrum für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen