Sitzung vom 19. April 2018

Dekretvorentwurf über die individuelle und öffentliche elektronische Kommunikation der Behörden des deutschen Sprachgebiets

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in zweiter Lesung den Dekretvorentwurf über die individuelle und öffentliche Kommunikation der Behörden des deutschen Sprachgebiets.

Die Regierung beschließt, das Gutachten der Dienststelle der Deutschsprachigen Gemeinschaft für selbstbestimmtes Leben einzuholen.

Die Regierung beschließt, in Anwendung von Artikel 84 §1 Absatz 1 Nummer 2 der koordinierten Gesetze über den Staatsrat vom 12. Januar 1973 in einer 30-Tages-Frist zu beantragen.

Der Ministerpräsident wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

Die Regierung hat in ihrem laufenden Arbeitsprogramm 2014-2019 im Rahmen der Maßnahme „MDG e-government 02“ Folgendes festgehalten:

„Das Ministerium ist Empfänger und Sender eines umfangreichen elektronischen Schriftverkehrs, der zusehends die Papierform im Kontakt mit dem Bürger verdrängt. Einzelne Dienstleistungen des Ministeriums wurden zudem mittels elektronischer Formulare standardisiert. Die Rechtsgültigkeit des elektronischen Schriftverkehrs ist aber im Konfliktfall derzeit eine Einzelfallentscheidung, da die Regeltexte der Deutschsprachigen Gemeinschaft elektronische Zustellungsformen und deren Zulässigkeitsbedingungen nicht präzisieren.

Die Deutschsprachige Gemeinschaft wird ein Dekret über die Zulässigkeit elektronischer Dokumente analog zu den anderen Gemeinschaften und Regionen aus Gründen der Rechtssicherheit anstreben. […]“

Es gilt in der Tat festzustellen, dass die anderen Gebietskörperschaften in diesem Bereich eine Vorreiterrolle wahrgenommen haben. Erwähnenswert sind hierbei das flämische Dekret vom 18. Juli 2008 „betreffende het elektronische bestuurlijke geevensverkeer“, die Ordonnanz der Region Brüssel-Hauptstadt vom 13. Februar 2014 „relative à la communication par voie électronique dans le cadre des relations avec les autorités publiques de la Région de Bruxelles-Capitale“ sowie das Dekret der Wallonischen Region vom 27. März 2014 „über die Mitteilungen auf elektronischem Weg zwischen den Benutzern und den wallonischen öffentlichen Behörden“.

Darüber hinaus ist insbesondere seit dem 1. Juli 2016 die Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG anwendbar. Diese legt u. a. einen europäischen Rechtsrahmen für elektronische Signaturen, elektronische Siegel, elektronische Zeitstempel, elektronische Dokumente, Dienste für die Zustellung elektronischer Einschreiben und Zertifizierungsdienste für die Website-Authentifizierung fest, der hier zu berücksichtigen ist.

Während der vorliegende Dekretvorentwurf einen allgemeinen Rahmen für den elektronischen Schriftverkehr der Behörden festlegt, gilt es parallel festzustellen, dass in einer Reihe von Dekreten und Verordnungen der Deutschsprachigen Gemeinschaft Formvorgaben vorhanden sind, die als „nicht technologisch neutral“ zu betrachten sind, indem sie beispielsweise die Verwendung von Papierdokumenten, Mehrfachexemplare, handschriftliche Unterschriften oder dergleichen vorsehen. Die Grundlagen für die Gleichstellung mit dazu zweckentsprechenden elektronischen Lösungen werden durch den vorliegenden Rechtstext festgehalten; die juristische Absicherung ist somit gegeben. Mittelfristig werden die bestehenden Formvorgaben in den zahlreichen Grundlagentexten jedoch ebenfalls angepasst werden müssen, um die erwähnte technologische Neutralität in ihren Bestimmungen widerspiegeln zu lassen. Dies wird aufgrund der Vielzahl der Regulierungen und deren inhaltlicher Bandbreite nicht mit einem einzelnen Referenztext der Fall sein können, sondern allmählich durch verschiedene Einzeländerungen der bestehenden Formvorgaben eingeführt werden.

Der vorliegende Dekretvorentwurf dient außerdem der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen, die bis zum 18. September 2018 umzusetzen ist.

Durch die Digitalisierung der Gesellschaft sind neue Möglichkeiten des Zugangs zu und des Anbietens von Informationen und Dienstleistungen entstanden. Auch die Behörden greifen zunehmend auf das Internet zurück, um Informationen und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, die für die Allgemeinheit von wesentlicher Bedeutung sind.

Ziel des vorliegenden Dekretvorentwurfes ist es, die Websites und die mobilen Anwendungen der Behörden der Deutschsprachigen Gemeinschaft für die Nutzer, insbesondere für Personen mit Unterstützungsbedarf, leichter zugänglich zu machen, entsprechend den gemeinsamen, in der europäischen Richtlinie festgelegten Anforderungen an einen barrierefreien Zugang.

Aufgrund dieser grundlegenden Überarbeitung, die insbesondere die Personen mit Unterstützungsbedarf betrifft, soll ein zweites Gutachten des Dienststelle der Deutschsprachigen Gemeinschaft für selbstbestimmtes Leben eingeholt werden.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Die Umgestaltung der Websites und mobilen Anwendungen der Behörden der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Sinne einer barrierefreien Zugänglichkeit entsprechend den Anforderungen der EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen wird Kosten mit sich bringen. Der Aufwand hängt von der Größe der Website ab und ist der Zeit schwer einschätzbar.

4. Gutachten:

Es liegen folgende Gutachten vor:

das Gutachten des Arbeitsamtes der Deutschsprachigen Gemeinschaft;

das Gutachten der Autonomen Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft;

das Gutachten der Dienststelle der Deutschsprachigen Gemeinschaft für selbstbestimmtes Leben;

die Gutachten der Gemeinden Amel, Büllingen, Bütgenbach, Eupen, Kelmis, Lontzen und Raeren;

das Gutachten des Instituts für Aus- und Weiterbildung im Mittelstand und in kleinen und mittleren Unternehmen.

Das Gutachten des Finanzinspektors vom 5. April 2018 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen;

Gesetz vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft.