Sitzung vom 9. Januar 2019

Ergebnisse und Endbericht der Studie „Pflegeversicherung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft“

1. Beschlussfassung:

Die Regierung nimmt den Endbericht und den Zusatzbericht der Firma BDO bezüglich der Studie zur Einführung einer Pflegeversicherung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zur Kenntnis.

Sie beauftragt das Ministerium, ebenfalls die Verwaltungskosten einer Pflegeversicherung berechnen zu lassen und den Endbericht erneut vorzulegen.

Der Minister für Familie, Gesundheit und Soziales wird mit der Durchführung des Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens hat sich auf Grund der Zuständigkeitsübertragung im Rahmen der sechsten Staatsreform im Bereich der Seniorenpflege und angesichts der demographischen Entwicklung und der hiermit verbundenen künftigen Herausforderungen aktiv mit der Thematik Pflegeversicherung auseinandersetzen.

Hierbei war der Regierung wichtig zu ermitteln, ob eine Pflegeversicherung erforderlich wird, damit die Bürger auch künftig  bei einem längerfristigen Pflegebedarf in der Lage sein werden, die dadurch anfallenden Kosten zu stemmen.

In Anbetracht der Komplexität, der verschiedenen möglichen Lösungsansätze und der Konsequenzen für zukünftige Entwicklungen hat die Deutschsprachige Gemeinschaft deshalb Experten mit einer Forschungsarbeit zu diesem Thema beauftragt.

Diese untersuchten die Chancen und Risiken der Schaffung einer Pflegeversicherung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft  und prüften hierbei auch, ob es entsprechende sinnvolle und machbare alternative Instrumente für die Versorgung in der Pflege geben kann.

Der Mehrwert einer Pflegeversicherung oder einer Alternative sollte deutlich aus den Ergebnissen hervorgehen. Es sollten Hypothesen auf organisatorischer, finanzieller und struktureller Ebene verfasst werden, die als Grundlage für eine politische Entscheidung dienen.

Auf dieser Grundlage wurde  durch den Fachbereich Gesundheit und Senioren ein Lastenheft zur Untersuchung der Einführung einer Pflegeversicherung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft entwickelt, das am 19. Juli 2016 durch die Regierung genehmigt wurde.

Am 19. Dezember 2016 hat die Regierung den Beschluss gefasst, dass BDO den Auftrag erhält.  BDO hat am 9. Januar 2017 mit der Studie begonnen.

Ein Begleitausschuss, bestehend aus Vertretern des Ministeriums, Herrn Norbert Heukemes, Frau  Karin Cormann und Frau Julia Hepp,  dem Kabinettschef von Minister Antoniadis, Herrn Olivier Warland (später ersetzt durch Marc Xhonneux), der Dienststelle für selbstbestimmtes Leben, Herr  Stephan Förster, , der Firma Ethias, Herrn  Jacques Lauffs  und einem Vertreter der Krankenkassen, Herr Guy Fransolet,  hat den Untersuchungsprozess durch BDO begleitet.

Der Begleitausschuss hat an folgenden Daten getagt: 13. Februar 2017, 14. März 2017, 18. April 2017, 15. Mai 2017, 12. Juli 2017 und 10. Dezember 2018.

Zusätzlich gab es Termine zwischen dem Fachbereich Gesundheit und Senioren  und BDO an folgenden Daten: Mai 2017, 2. Juni 2017, 13. Juni 2017, 19. September 2017, 5. Oktober 2017, 14. November 2017, 21. November 2017, 25. Januar 2018, 6. März 2018, 15. März 2018, 5. April 2018, 26. April 2018, 27. Juni 2018, 8. November 2018.

Am 13. Juli 2017 wurden die ersten Ergebnisse in der Regierungssitzung vorgestellt. Ein zusätzlicher Dienstleistungsauftrag wurde im Anschluss im September 2017 vergeben, um die Fragestellung in Bezug auf die Eigenbeteiligung der Bürger auszuweiten.

Der Begleitausschuss hat in seiner Sitzung vom 10. Dezember 2018 den Endbericht und den Zusatzbericht zur „Pflegeversicherung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft“ gut geheißen.

Im Folgenden werden kurz die Ergebnisse vorgestellt. Die Details sind in den Berichten im Anhang zu finden.

Macht eine Pflegeversicherung für Deutschsprachige Gemeinschaft Sinn? (siehe Endbericht)

Diese Frage wurde mit Hilfe der Erstellung einer Simulationstabelle der finanziellen Kostenentwicklung (Zuschüsse der Deutschsprachigen Gemeinschaft) im Zeitraum  2015-2060 unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien  beantwortet.

Datengrundlagen für die Szenarien  waren

  • die finanzierten Dienstleistungen (Funktionszuschüsse) durch die Deutschsprachige Gemeinschaft (Häusliche Hilfe, Alten- und Pflegewohnheime, Hausnotruf, Beihilfe zur Unterstützung für betagte Personen, Ehrenamt, alternative Wohnformen, Tagesbetreuung, Tagespflege).

  • die Eingrenzung auf die Zielgruppe Senioren.

  • die in der Antares Studie zur Gesundheitsplanung formulierte Hypothese , dass 13% der Senioren einen Unterstützungsbedarf haben.

  • die Berechnung des Föderalen Planbüros zur demografischen Entwicklung.

Es wurden insgesamt 3 Szenarien entwickelt:

  1. Status Quo: Die Hilfen wie sie aktuell geleistet werden, werden unverändert in Art und Menge fortgeführt. Sie entwickeln sich entsprechend der Demografie.

  2. Fokus Häusliche Hilfe: Der Fokus wird auf den Verbleib zu Hause gelegt, die Angebote der häuslichen Unterstützung (Tagespflege, Tagesbetreuung, häusliche Hilfe) werden erweitert. Gleichzeitig erfolgt allerdings zeitweise ein Abbau und anschließend eine Beschränkung der Anzahl Plätze in den Alten-und Pflegewohnheimen.

  3. Selbstbestimmtes Altern: Der Verbleib zu Hause wird unterstützt. Zudem werden alternative Wohnformen und neue Angebote berücksichtigt. Es erfolgt eine langsame Steigerung und anschließend  eine Beschränkung der Anzahl Plätze in den Alten-und Pflegewohnheimen, jedoch hat jede Person mit einem erhöhten Pflegebedarf Anrecht auf einen Platz. 

Details zu der Entwicklung der Szenarien sind im Bericht zu finden. Folgende Tabelle zeigt die Entwicklung im Jahr 2050.

 

 

Das erste Szenario ist sehr viel teurer, da die kostenintensiven Plätze in den Alten- und Pflegewohnheimen deutlich ansteigen.

Das zweite Szenario ist am günstigsten. Hier werden der Verbleib zu Hause unterstützt und die häuslichen Angebote ausgebaut. Jedoch sind hier nicht mehr für alle Personen mit einen hohen Pflegebedarf Alten- und Pflegewohnheimplätze vorgesehen.

Das dritte Szenario legt den Schwerpunkt auf das Zuhause und neue Wohnformen. Zudem stehen für alle Personen mit einem hohen Unterstützungsbedarf Plätze in den Alten- und Pflegewohnheimen zur Verfügung.

Ist eine Pflegeversicherung notwendig aufgrund des Armutsrisikos? (Endbericht)

Nein, man benötigt keine Pflegeversicherung, wenn die Hypothese stimmt, dass die Altersarmut gleich bleibt. Falls dies doch nicht der Fall sein sollte, hat die Deutschsprachige Gemeinschaft die nötigen Aktionsmittel, um Personen mit Unterstützungsbedarf in einer bedürftigen Situation zu unterstützen.

Das System der Beihilfe zur Unterstützung von betagten Personen unterstützt vor allem Personen mit geringem Einkommen. Aktuell benötigen beispielsweise nur 8% der Bewohner eines Alten- und Pflegewohnheims die Unterstützung eines ÖSHZ.

Was würde eine Pflegeversicherung dem Bürger bringen ( siehe Zusatzbericht)?

Um diese Frage zu beantworten, haben die Firmen BDO und Ethias intensiv zusammengearbeitet.

Grundannahmen waren hier:

  • Dienstleistungen aus der ersten Studie, sowie die Berechnung der Eigenbeteiligung dieser,

  • Nutzer der Pflegeversicherung (13%, aufgeteilt in leicht und schwer pflegebedürftig),

  • Einzahler: Personen ab dem 26. Lebensjahr,

  • Indexentwicklung und Demografie berücksichtigt.

Verschiedene Szenarien wurden hochgerechnet:

  • Für die Abdeckung der Kosten der Senioren mit Unterstützungsbedarf werden alle Eigenbeteiligungen (EB)berücksichtigt:Bei einer 100% Abdeckung führt dies zu einem jährlichen Beitrag in die Versicherung von 425,00 EUR, bei 75% Abdeckung zu einem Beitrag von 318,00 EUR, bei 50% zu einem Beitrag von 212,00 EUR und bei 25% zu 106,00 EUR Jahresbeitrag. Die Summe des jährlichen Beitrags der Bürger ist relativ hoch um die Kosten der EB abzudecken.

  • Nur die Eigenbeteiligung im Bereich der Häuslichen Hilfe (HH) der Senioren mit Unterstützungsbedarf wird berücksichtigt und genau dieser  Betrag wird auch für die Bewohner der APWH  berücksichtigt: Bei einer Abdeckung von 100% muss ein Jahresbeitrag von 213,00 EUR gezahlt werden, bei einer Abdeckung von 75% 160,00 EUR, bei 50% 107,00 EUR und bei 25% 53,00 EUR. à Nur die EB in der HH zur berücksichtigen ist nicht ideal, da dies zu einer Diskriminierung der Bewohner in den APWH führt, da hier nur eine kleine Beteiligung an den Kosten (entsprechend dem Betrag der häuslichen Hilfe) unterstützt wird, in der häuslichen Hilfe hingegen alles.

  • Wenn eine jährlicher Versicherungsbeitrag von 50,00 EUR gezahlt wird kann 25% der EB in der HH abgedeckt werden oder 12% der gesamten EB. Ein Beitrag von 50,00 EUR macht somit keinen Sinn, da nur eine minimale Abdeckung der EB gewährt werden kann.

Schlussfolgernd ist festzuhalten, dass eine Pflegeversicherung für den Bürger keinen Mehrwert darstellt, da nur mit einem sehr hohen Jahresbeitrag die Kosten der Eigenbeteiligung gesenkt werden könnten. Zudem wäre dies ein System parallel zur Beihilfe zur Unterstützung von betagten Personen. Selbst wenn man 100,00 EUR Jahresbeitrag zahlt, würde der Bürger keine spürbare finanzielle Unterstützung im Alltag bei einem Unterstützungsbedarf erfahren.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Die Studie Pflegeversicherung wurde über den OB 20, PR. 12.11 abgerechnet.

Für die Durchführung des Dienstleistungsauftrages wurden 83.495,50 EUR ohne MwSt. (101.029,56 EUR mit MwSt.) vorgesehen.

Für die Durchführung des zusätzlichen Dienstleistungsauftrages wurden 18.240,00 EUR ohne MwSt. (22.070,40 EUR mit MwSt.) vorgesehen.

Die Auszahlung erfolgte in den Haushaltsjahren 2017 und 2018, je nach Stand der Studie.

Insgesamt erhielt BDO somit einen Betrag von 101.735,50 EUR ohne MwSt. (123.099,96 EUR mit MwSt.).

4. Gutachten:

Es ist kein Gutachten erforderlich.

5. Rechtsgrundlage:

Gesetz vom 15. Juni 2006 über öffentliche Aufträge und bestimmte Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge;

Königlicher Erlass vom 15. Juli 2011 über die Vergabe öffentlicher Aufträge in den klassischen Bereichen;

Königlicher Erlass vom 14. Januar 2013 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Ausführung öffentlicher Aufträge und öffentlicher Baukonzessionen.