Sitzung vom 25. April 2019

Erlass der Regierung zur Festlegung des Verfahrens zur Zulassung, Registrierung und Anerkennung der Fachkräfte der Gesundheitspflegeberufe und zur Ausstellung des Europäischen Berufsausweises

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in zweiter und letzter Lesung den Erlass zur Festlegung des Verfahrens zur Zulassung, Registrierung und Anerkennung der Fachkräfte der Gesundheitspflegeberufe.

Der Minister für Familie, Gesundheit und Soziales wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

Mit der sechsten Staatsreform und seit dem 1. Januar 2016 obliegt es den jeweiligen Gemeinschaften, die Anerkennung, Zulassung und Registrierung für die Fachkräfte der Gesundheits- und Pflegeberufe basierend auf dem Koordinierten Gesetz vom
10. Mai 2015 über die Ausübung der Gesundheitspflegeberufe durchzuführen. Aufgrund der dringenden Notwendigkeit, ein Verfahren für die Deutschsprachige Gemeinschaft zu bestimmen, wurde im März 2016 ein Erlass zur übergangsweisen Regelung des Anerkennungsverfahrens für Gesundheits- und Pflegeberufe erstellt. Dieser soll im Rahmen des neuen Verfahrens durch vorliegenden Erlass ersetzt werden.

Die Zielsetzung des Erlasses ist, ein einheitliches Verfahren für die Anerkennung, Zulassung und Registrierung zu verfassen, damit der zuständige Fachbereich des Ministeriums dieses auf alle Akten und Verfahren anwenden kann und somit auch deutlich festlegt, welche Schritte eingeleitet werden. Die Transparenz der Verfahren erhöht sich deutlich durch vorliegenden Erlass. Mittels einer Anerkennung erhält ein europäischer Antragssteller  das Recht, unter denselben Voraussetzung wie der Inhaber des entsprechenden belgischen Diploms in einem reglementierten Gesundheitsberuf in Belgien arbeiten zu dürfen, ohne aber die akademische oder schulische Gleichwertigkeit der Ausbildung zu einem belgischen Diplom zu erhalten. Die letztendliche Berufszulassung bzw. die Erteilung der Berufserlaubnis (Visa-Nummer) wird jedoch weiterhin vom Föderalstaat geleistet. Im Rahmen der Anerkennung wird je nach gesetzlicher Grundlage von einer automatischen und allgemeinen Anerkennung gesprochen. Auf Grundlage der Europäischen Richtlinie 2005/36/EG werden bestimmte Diplome der Gesundheitsberufsgruppen (Fach-)Arzt, (Fach-)Zahnarzt, Krankenpfleger, Tierarzt, Apotheker und Hebamme automatisch in Europa anerkannt. Alle anderen Berufsgruppen bzw. Diplome, die nicht in diese Richtlinie fallen, fallen in das Verfahren der allgemeinen Anerkennung

Mittels einer Zulassung erhält der belgische Antragsteller auf Grundlage des Koordinierten Gesetzes vom 10. Mai 2015 über die Ausübung der Gesundheits-pflegeberufe, die Erlaubnis in einem reglementierten Gesundheitsberuf in Belgien arbeiten zu dürfen. Für die Zulassung von besonderen Berufsqualifikationen oder Berufsbezeichnung für Krankenpfleger oder Kinesiotherapeuten sowie für die Zulassung von Krankenhausapothekern sind die Gemeinschaften zuständig (hierbei wird keine explizite Visa-Nummer ausgestellt, sondern das Tragen von Fachtiteln und besonderen Berufsqualifikationen genehmigt; Visa-Nummern haben diese Berufsgruppen bereits). Zudem sind die Gemeinschaften für die Zulassung von Praktika im Bereich der medizinischen Ausbildungen zuständig. Da die Deutschsprachige Gemeinschaft jedoch über keine universitäre Einrichtung verfügt, die medizinische Studien oder fachärztliche Weiterbildungen anbietet, existieren diese Fälle in der praktischen Umsetzung nicht bzw. werden nur in begrenzten Ausnahmefällen erfolgen. Sie mussten allerdings im Rechtstext geregelt werden;

Von einer Registrierung wird nur im Falle der Erteilung der Voraussetzung einer Berufserlaubnis von Pflegehelfern und Sanitäter-Krankenwagenfahrern gesprochen. Dies geschieht durch das Absolvieren verschiedener schulischer Ausbildungen (AFPK-Ausbildung, Befähigungsnachweis des siebten Jahres des Sekundarschulunterrichts, Ausbildung) sowie aktuell noch durch das Absolvieren des ersten Jahres des Bachelor-Studienganges in Gesundheits- und Krankenpflegewissenschaften. Für Krankenwagenfahrer erfolgt eine Ausbildung beispielsweise in provinziellen Einrichtungen (EPAMU).  Die Berufserlaubnis  (Visum) wird auch hier weiterhin vom Föderalstaat geleistet.

Der vorgelegte Erlass regelt im Rahmen der Anerkennung, Zulassung und Registrierung die Verfahrensweisen.  So reicht der Antragsteller gemäß dem Erlass verschiedene Dokumente und Unterlagen ein, die benötigt werden, um jeden einzelnen Fall individuell zu begutachten. Der Fachbereich hat daraufhin einen Monat Zeit, die Vollständigkeit des Antrags zu bestätigen. Diese kann jedoch erst bestätigt werden, wenn alle benötigten Unterlagen eingereicht wurden. Ab der Vollständigkeit des Antrags muss der zuständige Fachbereich je nach Verfahren innerhalb von zwei bzw. drei Monaten, ggf. eine Empfehlung durch Experten einholen und ein Gutachten  erstellen und der Minister anschließend eine Entscheidung treffen und diese dem Antragsteller mitteilen.

Im Falle eines negativen Gutachtens hat der Antragsteller 30 Tage Zeit, um auf dieses negative Gutachten in schriftlicher Form zu reagieren. Reicht der Antragsteller eine Stellungnahme ein, begutachtet der zuständige Fachbereich diese Stellungnahme des Antragstellers. Reicht der Antragsteller keine Stellungnahme auf ein negatives Gutachten ein, entscheidet der Minister auf Basis des Gutachtens des Fachbereichs. So kann er insbesondere Ausgleichsmaßnahmen in Form von Praktika oder Eignungs-prüfungen auferlegen oder den Antrag ablehnen.

Schlussendlich setzt der Erlass auch die Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 und Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems teilweise um, indem nun im Rechtstext das Verfahren zur Ausstellung des Europäischen Berufsausweises geregelt wird. Mit anderen Worten ist dies die Möglichkeit für einen europäischen Antragsteller den Anerkennungsprozess elektronisch in Gang zu treten. Die Europäische Kommission hatte darauf hingewiesen, dass der belgische Staat diese Richtlinie nicht für alle Berufe vollständig umgesetzt habe. In der Tat ist die lückenhafte Umsetzung auf gesamtbelgischer Ebene der Zuständigkeitsübertragung im Rahmen der 6. Staatsreform geschuldet. Aus diesem Grund wurden dort, wo dies notwendig war, die einzelnen Verfahrensschritte für die betreffenden Berufe (Krankenpfleger, Apotheker, Kinesiotherapeuten) präzisiert. Das Visum muss jedoch weiterhin vom Föderalstaat gewährleistet werden.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Die aktuell anfallenden Kosten für die Übersetzungen der Akten zur Weiterleitung an die Kommissionen anderer Gemeinschaften und Experten  im Jahr 2018 beliefen sich auf 10.000 EUR. Diese Kosten fallen jährlich an.

Die Kosten für externe Sachverständige belaufen sich auf za. 5.000 EUR jährlich.

Der Erlassentwurf selbst führt zu keinen Mehrkosten.

4. Gutachten:

Bemerkungen zum Gutachten der Datenschutzbehörde

Die Datenschutzbehörde stellte am 27. Februar 2019 ihr Gutachten 56/2019 zum Erlassvorentwurf aus.

In einem ersten Schritt stellt sie fest, dass die Zielsetzung der im Erlass vorgesehenen Datenverarbeitung ausdrücklich und klar abgegrenzt ist.

Allerdings erachtete sie einige Elemente als kritisch bzw. als verbesserungsbedürftig:

1. die Verarbeitung von strafrechtlichen Daten bedarf besonderer Schutzmaßnahmen (Liste der Personen, die darauf Zugriff haben, Berufsgeheimnis, etc.). Der Erlass sah diesbezüglich vor, dass das Ministerium einen Auszug aus dem Strafregister für jeden Antragsteller verlangen konnte. Da nun auch der Staatsrat an dieser Vorgehensweise Kritik übt, wurde diese Möglichkeit aus dem Erlass entfernt, sodass weitere dahingehende Änderungen gegenstandlos wären.

2. im Erlass sollte präzisiert werden, welche Daten mit den externen Sachverständigen und beratenden Gremien geteilt werden. Da diese eine umfassende Übersicht über die Situation des Antragstellers haben müssen, wurde im Erlass präzisiert, dass alle Informationen und Dokumente, die anlässlich der Antragstellung verlangt werden, mit diesen Stellen geteilt werden.

3. die Datenschutzbehörde verlangte, dass im Erlass präzisiert wird, wie lange die Aufbewahrungsfrist ist und wer der Verantwortliche der Datenverarbeitung ist. Beides wurde in den Erlass eingefügt: Die Daten werden während 10 Jahren nach Antragstellung aufbewahrt und das Ministerium ist der Verantwortliche.

4. es sollte schließlich noch präzisiert werden, ob die externen Sachverständigen als Verantwortliche oder als Auftragsverarbeiter zu betrachten sind. Der Erlass sieht nun letzteres vor.

Bemerkungen zum Gutachten des Staatsrats

Der Staatsrat erteilte sein Gutachten Nummer 65.203/VR am 25. März 2019. Da der Erlass komplexe Zuständigkeitsfragen aufgeworfen hatte, ging der Ausstellung des Gutachtens ein Antrag auf sechswöchige Verlängerung voraus, die die Regierung bewilligt hatte.

In einem ersten Teil analysierte der Staatsrat die Zuständigkeitsverteilung zwischen Gemeinschaften, Regionen und Föderalstaat. Das Gutachten deckt sich größtenteils mit der juristischen Analyse, die das Ministerium zuvor der Regierung unterbreitet hatte und gemeinsam mit dem Erlass beim Staatsrat hinterlegt wurde.

Einige Punkte des Erlasses warfen aus Sicht des Staatsrats jedoch Fragen auf oder mussten nachgebessert werden:

In Bezug auf Kapitel 2 (Zulassungs- und Registrierungsverfahren) stellte sich der Staatsrat die Frage, warum keine Registrierungsregelung für Sanitäter-Krankenwagenfahrer vorgesehen wurde. Auch wenn dies in der Praxis bisher anders gehandhabt wurde, so sind die Gemeinschaften für die Registrierung dieser Berufsgruppe zuständig. Der Erlass wurde in diesem Sinne angepasst.

Bezüglich der Kapitel 3 und 4 musste präzisiert werden, dass entsprechende Anträge nur für die Niederlassung im deutschen Sprachgebiet eingereicht werden können und nicht auf vorübergehende und gelegentliche Dienstleistungen Anwendung finden können.

Der Staatsrat kritisierte, dass nichts zum Entzug der Anerkennung (und demzufolge auch zum Entzug des Europäischen Berufsausweises) vorgesehen sei, obwohl dies für die Zulassung und Anerkennung wohl der Fall sei. Die Tatsache, dass die Richtlinie diesbezüglich nichts vorsieht, sei kein Argument, diese Situation nicht zu regeln. Entsprechende Bestimmungen wurden folglich eingefügt.

Der Staatsrat findet keine Grundlage, die erlauben würde, dass im Rahmen der Antragstellung ein Auszug aus dem Strafregister gefragt wird. Alle Bestimmungen, die das Einreichen von Auszügen aus dem Strafregister erforderten wurden daher aus dem Erlass entfernt.

Dem Staatsrat fehlt darüber hinaus eine Regelung für Drittstaatsangehörige. Angesichts der Zuständigkeitsverteilung wurde nun folgende Regelung in den Erlass eingefügt:

1. Drittstaatsangehörige, die ihre Berufsqualifikation in einem EU-Mitgliedstaat erhalten haben, können einen Antrag auf Anerkennung gemäß den Kapiteln 3 oder 4 stellen;

2. Drittstaatsangehörige, die ihr Diplom in einem Drittstaat erlangt haben und einen Basisberuf in Belgien ausüben möchten, wenden sich zunächst an die Deutschsprachige Gemeinschaft. In der Tat ist Artikel 145 des koordinierten Gesetzes vom 10. Mai 2015‚ über die Ausübung der Gesundheitspflegeberufe nun entsprechend abgeändert worden. Diese Personen müssen nun in einem ersten Schritt die Gleichstellung ihres Diploms beim Ministerium aufgrund seiner Zuständigkeit im Unterrichtswesen anfragen. Nach Erhalt dieser Gleichstellung können diese Personen eine Zulassung bzw. Registrierung gemäß Kapitel 2 beim Fachbereich Gesundheit und Senioren einreichen. Anschließend erhalten sie vom Föderalstaat eine Berufserlaubnis, die schließlich zur Ausübung des Berufs berechtigt (license to practice);

3. Drittstaatsangehörige, die für ihr Basisdiplom die Berufserlaubnis  des Föderalstaats erhalten haben aber in einem Drittstaat ein Diplom erlangt haben, das in Betracht für eine Berufsbezeichnung, besondere Berufsbezeichnung oder besondere Berufsqualifikation in Belgien kommt, müssen dieses Diplom ebenfalls gleichstellen lassen, bevor sie einen Antrag auf Zulassung gemäß Kapitel 2 stellen können. Wenn Belgien und der betreffende Drittstaat eine Regelung der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen vereinbart haben, können die Antragsteller einen Antrag gemäß Kapitel 3 einreichen, ohne auf die Gleichstellung angewiesen zu sein.

Bezüglich der Rechtsgrundlage des Erlasses schlägt der Staatsrat einige Ergänzungen vor, die übernommen wurden. Für den Europäischen Berufsausweis (Kapitel 4) wird mittelfristig eine dekretale Grundlage geschaffen (bspw. im Gesetz vom 10. Mai 2015).

Bezüglich der Übereinstimmung mit der Richtlinie 2005/36 stellte der Staatsrat fest, dass einige Dokumente nicht angefragt werden dürfen. Hier wurden die neuen Vorgaben mit der Richtlinie und den Gesetzen anderer Mitgliedstaaten harmonisiert.

Der Staatsrat bemerkte außerdem, dass die Richtlinie keine Grundlage dafür bieten könne, Dokumente in deutscher Sprache oder samt deutscher Übersetzung anzufragen. Auch dieser Teil wurde mit den anwendbaren Vorgaben anderer Mitgliedstaaten harmonisiert.

Der Staatsrat wies ebenfalls darauf hin, dass das Verfahren der allgemeinen Anerkennung dazu führen könnte, dass die Frist von 3-4 Monaten zwischen Vollständigkeit des Antrags und abschließender Entscheidung nicht eingehalten werden könne (insbesondere die Tatsache, dass verschiedene Anhörungen stattfinden können, verleitet zu dieser Annahme). Demzufolge werden im Rahmen dieses Verfahrens keine Anhörungen stattfinden können. Es wurde zudem präzisiert, dass eine Entscheidung in jedem Fall innerhalb von 4 Monaten nach Vollständigkeit des Antrags ergehen muss.

In der abschließenden Untersuchung der einzelnen Artikel machte der Staatsrat neben formaljuristischen Vorschlägen folgende Bemerkung:

Bezüglich der Hebammen müsse eine besondere Regelung vorgesehen werden, da inländische Hebammen von Rechts wegen eine Zulassung erhalten. Es wurde demnach präzisiert, dass nur ausländische Hebammen einen Antrag auf automatische Anerkennung einreichen müssen.

5. Rechtsgrundlage:

  • Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen
  • Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt- Informationssystems („IMI-Verordnung“)
  • Sondergesetz vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen, Artikel 20;
  • Gesetz vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 7;
  • Koordiniertes Gesetz vom 10. Mai 2015 über die Ausübung der Gesundheitspflegeberufe, Artikel 43 §2, Artikel 56, Artikel 61 §3, Artikel 63, abgeändert durch den Königlichen Erlass vom 27. Juni 2016, Artikel 64, Artikel 65, Artikel 68/2/2, eingefügt durch das Gesetz vom 10. Juli 2016, Artikel 68/4 §2, eingefügt durch das Gesetz vom 10. Mai 2015, Artikel 72 §2 Absatz 1, Artikel 88, Artikel 105, Artikel 106 §2, Artikel 145 §3, Artikel 153 §§1-2 und §3 Absatz 4.