Sitzung vom 27. Juni 2019

Entwurf eines Dekrets zur Anerkennung von Assistenztieren und über Zugangsrechte zu öffentlichen Orten von Personal in Begleitung eines Assistenztieres

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in 2. und letzter Lesung den Entwurf eines Dekrets zur Anerkennung von Assistenztieren und über die Zugangsrechte zu öffentlichen Orten von Personen in Begleitung eines Assistenztieres.

Der Vize-Ministerpräsident, Minister für Gesundheit und Soziales, Raumordnung und Wohnungswesen wird beauftragt, den Entwurf im Parlament zu hinterlegen.

2. Erläuterungen:

Im Hinblick auf die weitere Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (hiernach „die UN-Konvention“) in der Deutschsprachigen Gemeinschaft und des Aktionsplans „DG Inklusiv 2025“ ist das Dekret zur Anerkennung von Assistenztieren ein wichtiger Schritt.

Die Verpflichtung, Assistenztiere anzuerkennen, lässt sich aus mehreren Bestimmungen der UN-Konvention direkt bzw. indirekt ableiten:

So sieht Artikel 5 Absätze 3 und 4 „Gleichberichtigung und Nichtdiskriminierung“. vor, dass Vertragsstaaten die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen gewährleisten müssen und dass besondere Maßnahmen, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich sind, nicht als Diskriminierung im Sinne der UN-Konvention gelten.

Artikel 9 und Artikel 20 der UN-Konvention verdeutlichen ihrerseits die Ziele, die durch die Zurverfügungstellung von tierischer Hilfe verfolgt werden. Zum einen soll der Zugang von Personen mit Unterstützungsbedarf zu Gebäuden und anderen Einrichtungen erleichtert werden. Zum anderen soll die persönliche Mobilität von Personen mit Unterstützungsbedarf im Sinne größtmöglicher Unabhängigkeit durch die erschwingliche Bereitstellung von tierischer Hilfe gefördert werden.

In der Allgemeinen Bemerkung Nr. 2 zu Artikel 9 der UN-Konvention wird darauf hingewiesen, dass „[…]ein Teil der Aufgabe, die Vielfalt der Menschen mit Behinderungen bei der Bereitstellung der Zugänglichkeit zu berücksichtigen, ist, es anzuerkennen, dass manche Menschen mit Behinderungen menschliche oder tierische Hilfe benötigen, um in den Genuss vollständiger Zugänglichkeit zu gelangen[…]“

In der Tat haben die anderen Teilstaaten Belgiens bereits gesetzliche Bestimmungen zur Anerkennung von Assistenzhunden verabschiedet.

Durch dieses Dekret sollen alle Arten von Assistenztieren anerkannt werden. Es beschränkt sich nicht nur auf die Anerkennung von Assistenzhunden.

Dieses Dekret soll neben der Anerkennung von Assistenztieren auch die damit verbundene Bezuschussung und die Zugangsrechte festlegen. Die Möglichkeit, die Unterstützung eines Assistenztiers wahrnehmen zu können, soll nicht von den finanziellen Ressourcen der Person bzw. ihres Umfeldes abhängen oder durch restriktive Zugangsrechte eingeschränkt sein.

Bemerkungen zum Staatsratsgutachten:

Der Staatsrat stellte am 27. Mai 2019 das Gutachten 65.761/3 zum Dekretvorentwurf aus.

In diesem Gutachten gab er drei Empfehlungen ab:

In Artikel 1 sollte nicht dargelegt werden, dass das Dekret die Zugangsrechte der Tiere, sondern die der Personen in Begleitung eines Assistenztieres regelt. Entsprechende Änderungen wurden vorgenommen.

Bezüglich Artikel 9 §1 empfahl der Staatsrat, dort, und nicht in Artikel 1, die öffentlichen Orte aufzulisten. Der Bemerkung wurde Rechnung getragen und der Kommentar zu Artikel 9 wurde erweitert, um umfassender zu erklären, was mit „öffentlichem Ort“ gemeint ist. Außerdem wurde auf Empfehlung des Staatsrats im Kommentar zum Artikel präzisiert, welche zusätzlichen Dienstleistungen kostenpflichtig sein können.

Grundlegendere Schwierigkeiten hatte der Staatsrat mit der Kombination aus Artikel 9 §2 und Artikel 10, der eine Strafbestimmung vorsieht. Der Staatsrat brachte diesbezüglich seine Bedenken zu einer Strafbestimmung über Verweis zum Ausdruck. So muss der Bürger sich jederzeit über die Konsequenzen seines Handelns im Klaren sein. Dadurch, dass Artikel 9 §3 Absatz 1 Nummer 1 auf „dahingehende gesetzliche, dekretale oder verordnungs-rechtliche Bestimmungen“ verweist, kann sich der Bürger nach Ansicht des Staatsrates nicht ohne Weiteres ein Bild über die Konsequenzen seines Handelns machen. Eine entsprechende Replik wurde in den Kommentar zu Artikel 9 eingepflegt.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Vorliegender Dekretvorentwurf hat keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen. Die finanziellen Auswirkungen entstehen mit dem in Ausführung des Dekrets zu verabschiedendem Erlass.

4. Gutachten:

  • Das Gutachten der Juristen des Fachbereichs Lokale Behörden und Kanzlei vom 21. Januar 2019 liegt vor.

  • Das Gutachten des Finanzinspektors vom 21. Juni 2019 liegt vor.

  • Der Vorschlag des Verwaltungsrates der Dienststelle für selbstbestimmtes Leben vom 26. Oktober 2018 liegt vor.

  • Das Gutachten des Staatsrates vom 27. Mai 2019 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

  • Artikel 5 §1 II Nummer 4 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen
  • Artikel 4 §2 des Gesetzes vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft