Sitzung vom 18. Juli 2019

Vorentwurf eines Erlasses der Regierung zur übergangsweisen Regelung des Verfahrens zur Erlangung einer Vorabgenehmigung oder Zustimmung zwecks Kostenrückerstattung einer Langzeitrehabilitation im Ausland

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in erster Lesung den Vorentwurf eines Erlasses zur übergangsweisen Regelung des Verfahrens zur Erlangung einer Vorabgenehmigung oder Zustimmung zwecks Kostenrückerstattung einer Langzeitrehabilitation im Ausland.

Die Regierung beschließt, das Gutachten der Datenschutzbehörde zu beantragen.

Die Regierung beschließt, in Anwendung von Artikel 84 §1 Absatz 1 Nummer 2 der koordinierten Gesetze über den Staatsrat vom 12. Januar 1973 das Gutachten in einer 30-Tages-Frist zu beantragen.

Der Vize-Ministerpräsident, Minister für Gesundheit und Soziales, Raumordnung und Wohnungswesen wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

Der Deutschsprachigen Gemeinschaft wurde im Rahmen der 6. Staatsreform die Zuständigkeit für die Langzeitrehabilitation vom Föderalstaat übertragen. Teil dieser Kompetenzübertragung sind zum einen Konventionen, die zwischen dem Landesinstitut für Invaliden- und Krankenversicherung (LIKIV) und den innerbelgischen Einrichtungen geschlossen wurden und zum anderen die Langzeitrehabilitation im Ausland.

An die Deutschsprachige Gemeinschaft wurde nur eine einzige innerbelgische Konvention übertragen, und zwar die des Kindertherapiezentrums (Kitz). Die Übernahme dieser Kompetenz wurde bereits zum 1. Januar 2018 erfolgreich abgeschlossen, mit der Integration des Kitz und des SPZ in das neugegründete BTZ.

Die Übertragung der Langzeitrehabilitation im Ausland an die Deutschsprachige Gemeinschaft ist Gegenstand dieser Note.

Unter Langzeitrehabilitation versteht man „die multidisziplinäre, nicht-akute oder postakute Pflege, unabhängig davon, in welcher Einrichtung diese Pflege erbracht wird, und zwar im Rahmen der Interaktion zwischen Eltern und Kindern, im Rahmen von psychischen, sensorischen, süchtig machenden Störungen, von Stimm- und Sprachstörungen, im Rahmen von Zerebralparese, im Zusammenhang mit Kindern mit Atemwegs- und neurologischen Erkrankungen, sowie die nicht-akute oder postakute Pflege, die multidisziplinär bei motorischen Erkrankungen außerhalb von Allgemein- und Universitätskliniken und Krankenhäusern, in denen gleichzeitig chirurgische und medizinische Leistungen erbracht werden, ausschließlich für Kinder oder zur Behandlung von Tumoren erfolgt“, laut Artikel 5 §1 I Absatz 1 Nr. 5 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen und die spezifizierte Liste der Behandlungen die in Anhang 1 des vorliegenden Vorentwurfs des Erlasses festgelegt wird.

Im Folgenden wird nun beschrieben, wie bisher die Langzeitrehabilitation im Ausland verwaltet wurde und wie dies in Zukunft in Ostbelgien vorgesehen ist. 

Vorgehensweise bis zum 30. April 2019:

Das LIKIV hat bis zu diesem Zeitpunkt alle Langzeitrehabilitationen im Ausland für die Deutschsprachige Gemeinschaft verwaltet und finanziert.

Bis zu diesem Zeitpunkt, das heißt die Leistungen betreffend, die vor dem 1. Mai 2019 begonnen wurden, wird es keine Rückforderungen von Seiten des LIKIV an die Deutschsprachige Gemeinschaft geben.

Vorgehensweise ab dem 1. Mai 2019

Das LIKIV war ab dem 1. Mai 2019 nicht weiter bereit, die Kosten für die Deutschsprachige Gemeinschaft für Langzeitrehabilitation im Ausland zu übernehmen.

Aus diesem Grund hat das LIKIV mittels zwei neuer Rundschreiben seinen Interventionsperimeter definiert. Diese Rundschreiben gelten vom 1. Mai 2019 bis zum 31. Dezember 2019:

  • Rundschreiben für physische Rehabilitation: hier wird definiert, für welchen Bereich das LIKIV zuständig ist und was ihrer Ansicht nach Zuständigkeit der Deutschsprachigen Gemeinschaft ist. Diesem Rundschreiben ist auch weiterhin eine Liste von Rehabilitationseinrichtungen angehängt, zu denen die Bürger der Deutschsprachigen Gemeinschaft einen vereinfachten Zugang haben.
  • Rundschreiben für psychische und psychosomatische Rehabilitation: in diesem Rundschreiben beschreibt das LIKIV, dass für alle Anträge in diesem Bereich, der Antrag beim Kollegium der Ärzte-Direktoren (KAD) eingereicht werden muss. Das KAD entscheidet, ob eine Rückerstattung im Rahmen der föderalen oder der gemeinschaftlichen Kompetenz gewährt werden soll bzw. ob der Antrag abgelehnt werden soll. Dieses Vorgehen wird solange beibehalten, bis die Deutschsprachige Gemeinschaft eine eigene gesetzliche Regelung hat, sprich bis zur Verabschiedung des vorliegenden Erlasses.

    Dies bedeutet, dass das KAD aktuell Entscheidungen zu Lasten der Deutschsprachigen Gemeinschaft treffen kann. In der Absprachenote der IMK vom 23. Mai 2019 ist festgehalten, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft die Möglichkeit hat, einen bilateralen Austausch einzuberufen, wenn sie mit der Entscheidung des KADs nicht einverstanden ist.
  • Die Deutschsprachige Gemeinschaft hat ebenfalls ein Rundschreiben für alle eingereichten Anträge ab dem 1. Mai 2019 verfasst.

    In diesem wird festgehalten, dass aktuell die Vertrauensärzte der Krankenkasse, auf Grundlage des Rundschreibens, eine Begutachtung aller Anträge im Auftrag der Deutschsprachigen Gemeinschaft machen. Für die psychische Langzeitrehabilitation wird auf das Rundschreiben des LIKIVs verwiesen und auf die Prozedur über den KAD.

Vorgehensweise spätestens ab dem 1. Januar 2020:

Die beiden Rundschreiben des LIKIVs sind noch gültig bis zum 31. Dezember 2019, in der Regel werden diese immer jährlich verlängert. Allerdings hat der KAD den Auftrag, der Interministeriellen Konferenz Gesundheit einen Vorschlag zu unterbreiten hinsichtlich der konkreten Bestimmung der Zuständigkeiten der Gemeinschaften in der Langzeitrehabilitation einerseits und die des Föderalstaates in der Akutrehabilitation andererseits. Insbesondere im Bereich der psychiatrischen und psychosomatischen Betreuung ist dies eine besondere Herausforderung. Es ist somit damit zu rechnen, dass die Rundschreiben des LKIV in diesem Bereich präzisiert werden.

Gleichzeitig legt vorliegender Erlass sowohl den künftigen Interventionsperimeter der Gemeinschaft sowie die für die Antragstellung vorgesehenen Prozeduren zwecks Begutachtung der Anträge fest. In diesem Rahmen ist die Schaffung eines begutachtenden Ärztegremiums vorgesehen. Auch wurden Bestimmungen zwecks Schutzes der persönlichen und medizinischen Angaben der Antragsteller eingefügt.

Der Erlass soll spätestens zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. 

Als Basis für den Erlass werden mit Hilfe des Programmdekrets 2019 eine dekretale Grundlage geschaffen im Dekret für Gesundheitsförderung.

Entsprechend europäischem Sozialversicherungsrecht, nämlich der Verordnung (EG) 883/2004 vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit einerseits  und der Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung wurden verschiedene Verfahren definiert.

Prozedur mit Vorabgenehmigung (Verordnung)

Der Fachbereich hat gemeinsam mit den Informatikern digitale Formulare entwickelt, mit deren Hilfe ein Antrag auf Langzeitrehabilitation beim Fachbereich digital oder per Post eingereicht werden kann. Dieser Antrag besteht aus: einem Antragsformular für den Bürger, einem Facharztbericht und einem Behandlungsplan der ausländischen Rehabilitationseinrichtung, inklusive Kostenvoranschlag. Dieser Antrag wird immer vor Inanspruchnahme einer Dienstleistung im Ausland gestellt.

Nach Prüfung der Vollständigkeit des Antrags wird dieser durch das Ärztegremium geprüft und ein Gutachten erstellt.

Im Anschluss erteilt der Ministereine Zu- oder Absage. Dem Schreiben wird im Falle einer Zusage ein S2-Anspruchsschein beigelegt.

Der Bürger hat somit Anrecht auf eine Rückerstattung der Rehabilitationsleistung, so wie diese in dem Land vorgesehen ist, in dem er die Leistung in Anspruch nimmt. Das bedeutet er zahlt auch nur die in diesem Land vorgesehen Eigenbeteiligung.

Die Deutschsprachige Gemeinschaft rechnet mit einer zeitlichen Verzögerung (ca. 2 Jahre später), mit dem Landesinstitut für Kranken- und Invalidenversicherung (Likiv) ab. 

Prozedur mit Erstattung nach Inanspruchnahme der Leistung (Patientenrichtlinie)

Auch für die zweite Prozedur hat der Fachbereich gemeinsam mit den Informatikern digitale Formulare entwickelt, mit deren Hilfe ein Antrag auf Langzeitrehabilitation beim Fachbereich eingereicht werden kann. Dieser Antrag besteht aus: einem Antragsformular für den Bürger, einem Facharztbericht und einem Behandlungsplan der ausländischen Rehabilitationseinrichtung inklusive Rechnung der Leistung und Zahlungsbeleg. 

Im Gegensatz zum S2-Verfahren kann der Bürger hier entweder vor Beginn der Behandlung eine Zustimmung zur Kostenrückerstattung beantragen oder er tut dies erst im Nachhinein.

Der Fachbereich Gesundheit und Senioren prüft die Vollständigkeit des Antrags und leitet den Antrag dann an das Ärztegremium weiter.

Das Ärztegremium erstellt dann ein Gutachten darüber, ob dem Antrag stattgegeben werden soll.

Im Anschluss erstellt das Ministerium eine Zu- oder Absage.

In diesem Fall wird dem Antragssteller direkt eine Rückerstattung gewährt, aufgrund der Tarife, die im Erlass festgelegt wurden.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Der tatsächliche Bedarf ostbelgischer Bürger an Langzeitrehabilitation und die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen sind nur schwer zu eruieren.  Über Zahlenmaterial verfügen weder das LIKIV noch die Krankenkassen.

Es wurden im Rahmen der 6. Staatsreform keine spezifischen Mittel an die Deutschsprachige Gemeinschaft übertragen, mit Hilfe derer der finanzielle Rahmen definiert werden könnte.

Der Fachbereich hat mittels einer Umfrage bei deutschen Dienstleistern einen Betrag von rund 600.000€ ermittelt werden konnte. Dieser setzte sich in der Hauptsache aus neurologischer Rehabilitation und die Rehabilitation bei Suchtkranken im stationären Bereich zusammen.

Aus der Beobachtung der Monate Mai und Juni 2019 konnte jedoch festgestellt werden, dass nur eine Anfrage den Bereich Sucht betrifft, eine Anfrage den Bereich Neurologie, eine Anfrage den Bereich Hörschädigung, eine Anfrage eine Mutter-Kind-Kur, eine Anfrage eine Schmerztherapie und alle anderen Anfragen betreffen den Bereich Psychosomatik. Aktuell steht jedoch noch zur Diskussion, ob die Deutschsprachige Gemeinschaft wirklich für den Bereich der Psychosomatik zuständig ist, da dies nicht eindeutig aus der oben beschriebenen Diskussion hervorgeht. Eine Entscheidung soll wie in Punkt 2 erwähnt, spätestens bis zum Ende des Jahres getroffen werden. Deshalb wurden in vorliegendem Erlass auch keine Therapien für die psychosomatischen Krankheitsbilder aufgenommen, dies müsste evtl. im Anschluss noch in Anhang 1 der Erlasses angepasst werden.

Das Ärztegremium wird pro Stunde vergütet nach LIKIV-Tarif (91,24 €), die Ärzte werden über den 50.16.12.11 vergütet, schätzungsweise müssen dafür jährlich ca. 5.000€ vorgesehen werden.

4. Gutachten:

  • Das Gutachten des juristischen Dienstes vom 2. Juli 2019 liegt vor.
  • Das Gutachten des Finanzinspektors vom 9. Juli 2019 liegt vor.
  • Das Einverständnis des Ministerpräsidenten, zuständig für den Haushalt vom 10. Juli 2019 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

  • Sondergesetz vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen, Artikel 20;
  • Gesetz vom 31. Dezember 1983 über die institutionellen Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft, A Artikel 7;
  • Koordiniertes Gesetz vom 14. Juli 1994 über die Gesundheitspflege- und Entschädigungspflichtversicherung, Artikel 9quater, Artikel 34 Absatz 1 Nummer 7 und Artikel 136 §1;
  • Verordnung (EG) 883/2004 vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit;
  • Verordnung (EG) 987/2009 vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit