Sitzung vom 25. Juni 2020

Dekretentwurf über die Rückverfolgung von Infektionsketten im Rahmen der Bekämpfung der Coronavirus (COVID-19) Gesundheitskrise

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in zweiter und letzter Lesung den Dekretentwurf über die Rückverfolgung von Infektionsketten im Rahmen der Bekämpfung der Coronavirus (COVID-19) Gesundheitskrise.

Der Minister für Gesundheit und Soziales, Raumordnung und Wohnungswesen wird beauftragt, den Entwurf im Parlament zu hinterlegen.

2. Erläuterungen:

Im Kontext der Coronavirus (COVID-19) Gesundheitskrise wurde das belgische Institut für öffentliche Gesundheit Sciensano durch den Königlichen Erlass Nr. 18 vom 4. Mai 2020 „zur Schaffung einer Datenbank bei Sciensano im Rahmen der Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus COVID-19“ damit beauftragt, Gesundheitsdaten von Patienten bei verschiedenen Dienstleistern oder Einrichtungen des Gesundheitswesens zu sammeln und in einer Datenbank zu verarbeiten. Darüber hinaus werden auch persönliche Daten von Personen erfasst, mit denen der Patient in Kontakt gekommen ist. Durch dieses contact tracing sollen eventuelle Infektionsketten zurückverfolgt werden können. Dies soll durch die anschließende gezielte Vermittlung von Informationen und Empfehlungen dazu dienen, eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern.

Die Gemeinschaften und Regionen wurde in diesem Zusammenhang damit beauftragt, sogenannte Kontaktzentren (oder Call-Center) einzurichten.

Durch dieses Dekret wird ein solches Kontaktzentrum für die Deutschsprachige Gemeinschaft eingerichtet. Es wird damit betraut, Infektionsketten mit dem Coronavirus COVID-19 zu durchbrechen. Konkret bedeutet das, dass das Kontaktzentrum folgende Aufträge erhält:

1. Kontaktaufnahme mit infizierten oder vermutlich infizierten Personen auf jedem Kommunikationsweg, einschließlich per Telefon, E-Mail oder, falls dies nicht möglich ist, durch einen Hausbesuch, um sie um Informationen über die Personen zu bitten, mit denen sie während eines Zeitraums von vierzehn Tagen vor und nach den ersten Anzeichen einer Infektion mit dem Coronavirus (COVID-19) Kontakt hatten;

2. Kontaktaufnahme mit den Personen, mit denen die infizierten oder vermutlich Infizierten in Kontakt gekommen sind, auf jedem Kommunikationsweg, einschließlich per Telefon, E-Mail oder, falls dies nicht möglich ist, durch einen Hausbesuch, um ihnen unter anderem Hygiene- und Präventionsrichtlinien zu geben, eine Quarantäne vorzuschlagen und ihnen zu empfehlen, sich auf das Coronavirus COVID-19 testen zu lassen;

3. Kontaktaufnahme mit Personengemeinschaften auf jedem Kommunikationsweg, einschließlich per Telefon, E-Mail oder, falls dies nicht möglich ist, durch einen Hausbesuch, in Kontakt zu treten, um sie über die Infektion oder vermutete Infektion der infizierten oder vermutlich infizierten Personen zu informieren, sodass die Personengemeinschaft geeignete Präventions- oder Früherkennungsmaßnahmen ergreifen kann.

Auf Ebene der Deutschsprachigen Gemeinschaft wurde das Kontaktzentrum in Dringlichkeit eingerichtet durch den Erlass der Regierung vom 7. Mai 2020 „zur Einrichtung eines mit der Rückverfolgung von Infektionsketten im Rahmen der Bekämpfung der Coronavirus (COVID-19) Gesundheitskrise beauftragten Kontaktzentrums“. Dieser Erlass findet seine Rechtsgrundlage im Dekret vom 1. Juni 2004 zur Gesundheitsförderung und zur medizinischen Prävention und ist seit dem Tag seiner Verabschiedung in Kraft.

Um diese Aufträge wahrnehmen zu können, ist es jedoch auch erforderlich, dass das Kontaktzentrum personenbezogene Daten verarbeiten kann. Da hier in großem Maße mitunter sensible personenbezogene Daten verarbeitet werden (müssen), erweist es sich insbesondere unter Beachtung des Artikels 22 der Verfassung und der europäischen Datenschutz-Grundverordnung als erforderlich, zu diesem Zweck die genannte Rechtsgrundlage auszubauen und einen spezifischen juristischen Rahmen zu schaffen. Daher soll in das genannte Dekret vom 1. Juni 2004 ein besonderes Kapitel eingefügt werden, das sich mit der Rückverfolgung von Infektionsketten im Rahmen der Bekämpfung der Coronavirus (COVID-19) Gesundheitskrise im Besonderen befasst.

Im größeren Kontext ist darauf hinzuweisen, dass der vorerwähnte Königliche Erlass Nr. 18 Kritik der Datenschutzbehörde nach sich gezogen hat (Gutachten Nr. 36/2020 vom 29. April 2020). Ein zu diesem Königlichen Erlass wortgleicher Gesetzesvorschlag (Gesetzesvorschlag zur Schaffung einer Datenbank bei Sciensano im Rahmen der Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus COVID-19, Parlamentsdok., Kammer, 2019-2020, 1249/001) wurde dem Staatsrat vorgelegt. In seinen Gutachten 67.425/3, 67.426/3 und 67.427/3 zu diesem Gesetzesvorschlag und seinen Abänderungsvorschlägen, schloss der Staatsrat darauf, dass der Föderalstaat nicht allein dafür zuständig ist, eine zentrale Datenbank für die Rückverfolgung von Infektionsketten einzurichten.

Aus diesen Gründen wird derzeit zwischen dem Föderalstaat und den zuständigen Teilstaaten ein Zusammenarbeitsabkommen ausgearbeitet, das sowohl in zuständigkeitsrechtlicher als auch in datenschutztechnischer Hinsicht allen Gutachten und Anforderungen Genüge tun soll. Der Inhalt dieses Zusammenarbeitsabkommens wurde aus Gründen der Rechtssicherheit bereits jetzt übergangsweise in den Königlichen Erlass vom 26. Juni 2020  ‚über die gemeinsame Verarbeitung von Daten durch Sciensano und die von den zuständigen regionalen Behörden oder von den zuständigen Agenturen beauftragten Kontaktzentren, Gesundheitsinspektionen und mobilen Teams im Rahmen einer Kontaktuntersuchung bei (vermutlich) mit dem Coronavirus COVID-19 infizierten Personen auf der Grundlage einer Datenbank bei Sciensano‘ (hiernach als „Königlicher Erlass“ bezeichnet) übertragen. Der Königliche Erlass wird solange Anwendung finden, bis dass das in Ausarbeitung befindliche Zusammenarbeitsabkommen von allen Teilstaaten gebilligt wurde, spätestens jedoch bis zum 15. Oktober 2020.

Um eine möglichst rechtssichere Grundlage für die Arbeit des Kontaktzentrums zu schaffen, wurde der Dekretentwurf vollständig überarbeitet und eng mit dem vorerwähnten Königlichen Erlass verzahnt. So wird sichergestellt, dass über diesen Umweg alle Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Bemerkungen der Datenschutzbehörde umzusetzen, automatisch auf das Kontaktzentrum der Deutschsprachigen Gemeinschaft Anwendung finden. Außerdem wird so vermieden, dass zwischen dem föderalen Text und dem vorliegenden Dekretentwurf Widersprüche und somit Rechtsunsicherheit entstehen.

Insbesondere hat diese Verzahnung zur Folge, dass die Schaffung voneinander getrennter Datenbanken übernommen und nun sehr deutlich beschrieben wird, welche Daten von wem und zu welchem Zweck verarbeitet werden. Durch ersteres wird sichergestellt, dass nicht alle an der Rückverfolgung von Infektionsketten beteiligten Personen (Mitarbeiter des Föderalstaats, Mitarbeiter der verschiedenen Kontaktzentren, Inspektoren der verschiedenen Teilstaaten) Zugriff auf alle Informationen haben. Letzteres soll den Text für den Bürger so transparent wie möglich gestalten.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Es entstehen zum aktuellen Zeitpunkt keine zusätzlichen Personalkosten für die Deutschsprachige Gemeinschaft. Tatsächlich wird das Kontaktzentrum mit den bestehenden Ressourcen der Deutschsprachigen Gemeinschaft aufgebaut und in Betrieb genommen.

Die Beteiligung der Deutschsprachigen Gemeinschaft an der gemeinsam mit den anderen zuständigen Behörden angekauften Software für das Call-Center liegt bei 0,62%. Bei einer Laufdauer von 7 Monaten bedeutet dies ein finanzieller Aufwand von ca. 32.000 Euro. Hierfür stehen ausreichend Mittel im Ausgabenhaushalt (OB 20 PR 00 Zw. 12.11) zur Verfügung.

Je nach Entwicklung der gesundheitlichen Lage wird es jedoch vonnöten sein, neues Personal einzustellen bzw. den Betrieb des Kontaktzentrums weiterzuführen. Daher ist der genaue Umfang der Gesamtkosten derzeit nicht absehbar.

4. Gutachten:

  • Das Gutachten 67.412/3 des Staatsrats vom 25. Mai 2020 liegt vor.
  • Das Gutachten 50/2020 der Datenschutzbehörde vom 5. Juni 2020 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

  • Sondergesetz vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen, Artikel 5 §1 I. Absatz 1 Nummer 8
  • Gesetz vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 4