Sitzung vom 27. Februar 2020

Vorentwurf eines Dekrets zur Einführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Verabschiedung oder Abänderung von Berufsreglementierungen

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in erster Lesung den Vorentwurf eines Dekrets zur Einführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Verabschiedung oder Abänderung von Berufsreglementierungen.

Die Regierung beschließt, in Anwendung von Artikel 84 §1 Absatz 1 Nummer 2 der koordinierten Gesetze über den Staatsrat vom 12. Januar 1973 das Gutachten in einer 30-Tages-Frist zu beantragen.

Der Vize-Ministerpräsident, Minister für Gesundheit und Soziales, Raumordnung und Wohnungswesen und der Minister für Bildung, Forschung und Erziehung werden mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

Das Europäische Parlament hat am 28. Juni 2018 die Richtlinie 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen (hiernach als „Richtlinie 2018/958“ bezeichnet) verabschiedet.

Die Ausübung reglementierter Berufe ist vom Besitz bestimmter Ausbildungsnachweise abhängig. Daher müssen im Ausland erlangte Berufsqualifikationen anerkannt werden, bevor diese reglementierten Berufstätigkeiten in der Deutschsprachigen Gemeinschaft ausgeübt werden dürfen.

Die EU-Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen regelt diese berufliche Anerkennung im Bereich der reglementierten Berufe. Sie gilt für alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU), des sonstigen Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Schweiz sowie für alle Drittstaatsangehörigen, die ihre Qualifikation in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat bzw. der Schweiz erworben haben. Die Anerkennung einer Berufsqualifikation durch die Deutschsprachige Gemeinschaft gewährt ihrem Inhaber den gleichen Zugang zu demselben Beruf unter denselben Voraussetzungen wie Personen, die diese Berufsqualifikation in Belgien erlangt haben.

In der Deutschsprachigen Gemeinschaft wurde die Richtlinie 2005/36/EG vertikal umgesetzt, d.h. für jeden Bereich, in dem die Deutschsprachige Gemeinschaft für die Anerkennung von reglementierten Berufen zuständig ist, so insbesondere im Unterrichtswesen oder im Gesundheitsbereich, wurde eine spezifische Regelung geschaffen. Der Weg der vertikalen statt der horizontalen Umsetzung wurde im Nachgang an das Gutachten des Staatsrats 60.291/4 vom 23. November 2016 eingeschlagen, in dem Folgendes angemerkt wird:

Zur Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU muss diese Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Föderalbehörde, der Wallonischen Region und der Deutschsprachigen Gemeinschaft berücksichtigt werden. Die Deutschsprachige Gemeinschaft darf also diese Richtlinie 2013/55/EU nicht horizontal umsetzen, da allein die Wallonische Region dazu zuständig geworden ist; in Angelegenheiten, die zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehören, wird sie hingegen „vertikale Umsetzungen“ dieser Richtlinie durchführen müssen.“

Mit der Richtlinie 2018/958 verfolgt der europäische Gesetzgeber das Ziel, die Berufsfreiheit zu fördern und die Rechtsvorschriften der verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen im Rahmen der Richtlinie 2005/36/EG anzugleichen.

So sieht die Richtlinie 2018/958 im Kern vor, dass jegliche Bestimmung, die einen Beruf erstmals reglementiert oder eine bestehende Reglementierung abändert, auf ihre Verhältnismäßigkeit zur angestrebten Zielsetzung überprüft werden muss.

Die Bestimmungen der Richtlinie werden in vorliegendem Dekretentwurf umgesetzt. Im Gegensatz zur Vorgehensweise bei der Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG, soll die Umsetzung der Richtlinie 2018/958 auf horizontale Weise erfolgen.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Keine

4. Gutachten:

  • Das Gutachten der Juristen des Fachbereichs Lokale Behörden und Kanzlei vom 31. Januar 2020 liegt vor.

  • Das Gutachten des Finanzinspektors vom 20. Februar 2020 liegt vor.

  • Das Einverständnis des Ministerpräsidenten, zuständig für den Haushalt, vom 18. Februar 2020 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

  • Artikel 130 §1 Absatz 1 Nummer 2 und 3 der belgischen Verfassung.

  • Artikel 5 §1 I. Nummer 7 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen

  • Artikel 4 des Gesetzes vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft