Sitzung vom 14. Januar 2021

Erlass der Regierung zur vorläufigen Unterschutzstellung als archäologische Stätte der Parzelle Bahnhofstraße in 4780 Sankt Vith, Gemarkung 1, Flur G, 51k²

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet den Erlass der Regierung zur vorläufigen Unterschutzstellung als archäologische Stätte der Parzelle Bahnhofstraße in 4780 Sankt Vith, Gemarkung 1, Flur G, 51k².

Der Beschluss EXIX/23.12.2020/IW/148 vom 23.12.2020 wird zurückgezogen.

Die Ministerin für Kultur und Sport, Beschäftigung und Medien wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

Am 20. November 2020 hat das Gemeindekollegium der Gemeinde Sankt Vith einen Vorschlag auf Unterschutzstellung als archäologische Stätte der Parzelle Bahnhofstraße in 4780 Sankt Vith, Gemarkung 1, Flur G, 51k² eingereicht.

Nachdem ein Antrag vollständig vorliegt, entscheidet die Regierung innerhalb von zwölf Monaten über die Einleitung des Verfahrens zur vorläufigen Unterschutzstellung.

Von der Gemeinde Sankt Vith vorgeschlagen wird die Unterschutzstellung der Parzelle mit der folgenden Begründung:

  • Die Funde der bisher durchgeführten Grabungen könnten als außergewöhnlich betrachtet werden, u.a. laut Aussagen von Experten der Bürgerinitiative, die deren überregionale Bedeutung hervorheben würden;
  • Auch touristisch und schulpädagogisch sollten die Funde zugänglich bleiben.

Der zuständige Dienst im Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft und die Königliche Denkmal- und Landschaftsschutzkommission teilen die Einschätzung der Gemeinde Sankt Vith und plädieren für eine Unterschutzstellung aus den folgenden Gründen:.

  1. Archäologische und historische Gründe: Die archäologische Stätte befindet sich Bahnhofstraße in 4780 Sankt Vith, Gemarkung, Flur G, 51k². Diese Parzelle von 3614m² befindet sich im Herzen der Stadt Sankt Vith, östlich der Kirche. Ein Bauprojekt eines Mehrfamilienhauses mit 33 Wohnungen und Tiefgarage diente als Anregung für die Abschätzung des archäologischen Potenzials der Parzelle. Mehrere Hinweise deuteten auf die archäologische Relevanz des Geländes hin: ältere Katasterpläne von 1830 und 1895 mit einem runden Objekt auf der genannten Parzelle, das man als Turm interpretieren könnte; Fachliteratur über Kulturerbe und Archäologie (z. B. Reiners-Neu: Die Kunstdenkmäler von Eupen-Malmedy, 1935, S. 464, 466-468 und Hecking: Geschichte der Stadt und ehemaligen Herrschaft St. Vith, 1977, S. 40-42, Erstveröffentlichung 1875), Topographie der Stadt Sankt Vith, die Flurbezeichnung ‚An der Burg‘ sowie Zeugenaussagen. Durch zwei archäologische Maßnahmen vom 15. Juni bis zum 17. Juni 2020 und vom 19. Oktober bis zum 13. November 2020 wurden bedeutende mittelalterliche Befunde ausgegraben. Somit konnte die archäologische Relevanz der Parzelle veranschaulicht werden. Die Dichte der Funde und Befunde ist erwähnenswert. Die mehr als zwei Meter starke Stadt- oder Burgmauer erstreckt sich auf einer vermuteten Länge von 70 Metern an der westlichen Grenze der Parzelle und wurde auf 30 Metern ausgegraben. Diese vermutete äußerste Grenze der mittelalterlichen Stadt ist mit zwei Rundtürmen und einem Wassergraben befestigt. Die zwei Wehrtürme auf einem geringen Abstand von 70 Metern sind außergewöhnlich und zeigen die Bedeutung von dem, was man verteidigen wollte, vermutlich die Burg. Weitere zur Stadtmauer senkrechte Mauern können nach dem aktuellen Forschungsstand nicht interpretiert werden. Die besonders im Wassergraben aufgehobenen Funde, z. B Keramik, Tierknochen und Holzstücke, deuten auf eine spätmittelalterliche oder eine früh neuzeitliche Datierung hin.

Die vollständige Ausdehnung des Kulturdenkmals ist nach unserem aktuellen Wissensstand nicht bekannt. Es ist anzunehmen, dass sich die ausgegrabenen Mauerzüge in den Nachbargarten fortsetzen und für die Interpretation des gesamten Fundkontexts von Wichtigkeit sind.

Die mittelalterliche Vergangenheit der Stadt Sankt Vith ist bis auf den stark restaurierten Büchelturm nur durch schriftliche Quellen bekannt. Die Stätte sowie das noch verborgene archäologische Potenzial des Areals „An der Burg“ sind eine Chance, archäologische Zeugnisse dieser Zeitepoche zu erforschen und zu dokumentieren. Archive und Fachliteratur liefern Informationen über die überregionale Bedeutung der Herrschaft Sankt Vith als Marktort, Garnisonstelle, Hochgericht und als administratives Zentrum im Mittelalter, die bis jetzt kaum durch die Archäologie bestätigt werden konnte. Diese überregionale Bedeutung führte zur Entwicklung eines Verteidigungssystems sowie von städtischen Infrastrukturen, die bis zu unseren Maßnahmen nicht archäologisch erforscht wurden. Durch diese Ausgrabungen ist teilweise unberührte und erhaltene mittelalterliche Bausubstanz ans Licht getreten, die auch aus einer städtebaulichen Perspektive analysiert werden kann. Die archäologischen Zeugnisse sind beeindruckend und erlauben eine neue Interpretation der mittelalterlichen Herrschaft Sankt Vith sowie der Entwicklung einer Stadt im Mittelalter.

  1. gesellschaftspolitische Gründe: Das große öffentliche Interesse um die archäologischen Ausgrabungen zeigt, dass die Wiederentdeckung einer bis jetzt als verloren angenommenen Vergangenheit eine gemeinsame Identität stiftet. In einer im zweiten Weltkrieg über 90% zerstörten Stadt gelten mittelalterliche Befunde als eine kleine Sensation.

Die archäologische Stätte könnte auch in Zukunft ein Mehrwert für den Tourismus in Sankt Vith darstellen sowie pädagogischen Zwecken dienen.

  1. Weitere dringende Gründe: Die Parzelle ist mittelfristig von einem Bauprojekt eines Mehrfamilienhauses von 33 Wohnungen mit Tiefgarage betroffen. Die mit Blei verseuchte Erde der Parzelle soll vor dem Baubeginn saniert werden. Auf einer Parzelle, wo jeglicher Bodeneingriff ohne archäologisch fachmännische Expertise grundsätzlich das Risiko birgt, archäologische Befunde zu beschädigen, werden die Erdausschachtungen im Rahmen der Sanierung und des Bauprojekts relevante kulturhistorische Schichten, Funde und Befunde unwiederbringlich zerstören. Die für Denkmalschutz zuständige Ministerin hat am 8. Dezember 2020 im Rahmen der öffentlichen Untersuchung zur Genehmigung der Bodensanierung eine entsprechende Stellungnahme abgegeben.

Geschützt werden soll die archäologische Stätte auf der Parzelle Bahnhofstraße in 4780 Sankt Vith, Gemarkung 1, Flur G, 51 k². Für den langfristigen Erhalt und die Sichtbarkeit für die Öffentlichkeit der archäologischen Stätte ist der Entwurf eines vollständigen Projekts in den kommenden Monaten notwendig.

Der Schutzbereich umfasst die folgenden Parzellen: Sankt Vith, Gemarkung 1, Flur G, 50y, 50b², 51b², 51c, 51d², 51l², 51m², 51s, 51v, 52c, 52d, 52e, 52g, 52n, 54f, 54h, 54k, 54l, 54n, 57 und Flur B, Nr. 86t², 89 k³, 89p³, 92x², 92y². Dieser ist im Erlass der Regierung in rosa gefärbt und mit einem durchgehenden fetten Strich umrandet.

Der Schutzbereich ist nicht Teil des geschützten Guts, sondern soll seinem Schutz vor negativen Einwirkungen dienen. Im Schutzbereich sind weitere mittelalterliche Befunde und Funde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, die für die Interpretation des gesamten archäologischen Kontexts wichtig sind. Somit müssen jegliche Erdbewegungen auf den betroffenen Parzellen genehmigt und archäologisch begleitet werden. Der Schutzbereich wurde so angelegt, dass eventuelle negative Einflüsse auf das geschützte Gut durch Bautätigkeiten im Umfeld abgewendet werden können. Der Schutzbereich umfasst das unmittelbare Umfeld des geschützten Gutes, wesentliche Sichtachsen und andere Gebiete oder Merkmale, die eine wichtige praktische Rolle spielen, um das Gut und seinen Schutz zu unterstützen.

Der Schutzbereich wurde so angelegt, dass die spezifischen kulturlandschaftlichen Merkmale berücksichtigt wurden.

Der Beschluss der Regierung vom 23. Dezember 2020 zur vorläufigen Unterschutzstellung als archäologische Stätte der Parzelle Bahnhofstraße 33 in 4780 Sankt Vith, Gemarkung 1, Flur G, 51k² wird wegen eines Formfehlers zurückgezogen.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Die vorliegende Entscheidung hat keine finanziellen Auswirkungen.

4. Gutachten:

Das Gutachten der Königlichen Denkmal- und Landschaftsschutzkommission (KDLK) vom 14. Dezember 2020 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

Dekret vom 23. Juni 2008 über den Schutz der Denkmäler, Kleindenkmäler, Ensembles und historischen Kulturlandschaften sowie über die Ausgrabungen.