Sitzung vom 28. März 2019

Gemeinsame Absichtserklärung über die Zusammenarbeit zwischen der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft und dem Ministerium für Soziales und Integration des Landes Baden-Württemberg

1. Beschlussfassung:

Die Regierung genehmigt die Gemeinsame Absichtserklärung über die Zusammenarbeit zwischen der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und dem Ministerium für Soziales und Integration des Landes Baden-Württemberg

Der Ministerpräsident wird mit der Umsetzung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

2.1. Hintergrund

In Erwägung der hohen gesellschaftlichen Bedeutsamkeit des interkulturellen und interreligiösen Dialogs sowie der Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus, in Belgien, Deutschland und Europa, und der Wichtigkeit interinstitutioneller, interregionaler und internationaler Zusammenarbeit bei der Förderung eines friedsamen interkulturellen Zusammenlebens in unseren Regionen, stellen die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens (hiernach DG genannt) und das Ministerium für Soziales und Integration des Landes Baden-Württemberg (hiernach SM genannt) Zusammenarbeitspotenziale in den Bereichen (1) Interkulturalität und Interreligiosität und (2) Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus fest.

2.1.1. Interkulturalität und Interreligiosität

 

Interkulturalität und Interreligiosität sind Themen, die Ostbelgien als kleine Grenzregion im Herzen der Euregio Maas-Rhein, der Großregion Saar-Lor-Lux und Europas seit jeher wesentlich prägen.

Ostbelgien ist kulturell von verschiedenen Einflüssen geprägt: verschiedene Länder, unterschiedliche Sprachen und verschiedene Lebensstile haben die Region zu dem gemacht, was sie heute ist.

Baden-Württemberg ist als wirtschaftsstarkes Land im Südwesten Deutschlands bereits seit vielen Generationen auf Zuwanderung angewiesen. Nur durch die Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts über gesellschaftliche Unterschiede hinweg kann die Erfolgsgeschichte Baden-Württembergs fortgeschrieben werden.

Damit Zusammenleben in gesellschaftlicher Vielfalt gelingt, haben es sich die DG und das SM zur Aufgabe gemacht, spezifische Werkzeuge zu schaffen, um Neu-Ankommende nachhaltig zu integrieren und um das Zusammenleben derer, die mitunter bereits seit vielen Jahren oder über Generationen in Ostbelgien bzw. Baden-Württemberg leben, zu stärken. Insbesondere soll ein gesamtgesellschaftlicher interkultureller und interreligiöser Dialog initiiert und nachhaltig gefördert werden.

Das SM hat hierzu am 24. Mai 2017 einen Runden Tisch der Religionen ins Leben gerufen, an dem alle landesweit vertretenen Kirchen, Religionen, Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften beteiligt sind, um lösungsorientiert über gesamtgesellschaftliche Herausforderungen zu beraten.

Die DG unterzeichnete am 28. November 2017 gemeinsam mit den Vertretern der in Belgien anerkannten Glaubensgemeinschaften eine „Gemeinsame Erklärung“ über die Gründung eines Runden Tisches der Religionen, dessen Einsetzung konzeptionell von der Stiftung Weltethos für interkulturelle und interreligiöse Forschung, Bildung und Begegnung begleitet wurde.

Ziel der Runden Tische ist es, den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Glaubens- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften mit Blick auf das friedvolle Miteinander aller Menschen, ohne Unterschied von Alter, Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Religion, politischer Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, zu intensivieren.

2.1.2. Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus

Bei der Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus handelt es sich zweifellos um eine der bedeutenden Herausforderungen dieser Zeit. Hierbei geht es um die Beantwortung des menschlichen Grundbedürfnisses nach Sicherheit und um das friedsame demokratische Zusammenleben, das durch rechtsradikale, linksradikale, religiös-fundamentalistische oder andere Arten von Hasspredigern, Populisten und Extremisten bewusst und gewollt gefährdet wird.

Die Anzahl und die unberechenbare Qualität abscheulicher Terroranschläge, der in den vergangenen Jahren zahlreiche unschuldige Menschen in Belgien, Deutschland, Europa und der ganzen Welt zum Opfer gefallen sind, veranschaulichen die Tragweite des Themas, das sich nicht mit einfachen, einseitigen Instrumenten beantworten lässt.

Vor diesem Hintergrund setzte die DG im November 2015 einen eigenen themenbezogenen Koordinator ein und verabschiedete am 28. Juni 2016 eine Strategie zur Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus für die Deutschsprachige Gemeinschaft.

Im April 2017 eröffnete die DG eine „Wegweiser“-Anlaufstelle für die Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus: die Anlaufstelle sensibilisiert, berät und begleitet verschiedene Zielgruppen in Bezug auf Präventionsthemen. Vergleichbare Anlaufstellen sind in Baden-Württemberg bei dem im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration angesiedelten Kompetenzzentrum gegen Extremismus (konex) und bei den unterschiedlichen Fachstellen des Demokratiezentrums eingerichtet.

In Baden-Württemberg koordiniert konex die sicherheitspolitisch ausgerichtete Extremismusprävention, während andere Träger – wie die Landeszentrale für politische Bildung und das aus Bundes- und Landesmitteln finanzierte Demokratiezentrum Baden-Württemberg – im primärpräventiven Bereich agieren.

2.2. Gegenstand

 

Die Hintergründe, die zu gewaltsamer Radikalisierung führen können, sind vielfältig, vielschichtig und komplex. Um diesen Risiken möglichst frühzeitig, auf der sozio-präventiven Ebene, zu begegnen, bedarf es des effizienten Zusammenwirkens ebenso vielfältiger Akteure innerhalb der Regionen und darüber hinaus.

Da die gesellschaftlichen Herausforderungen, die mit Interkulturalität/Interreligiosität einhergehen, mitunter komplex sind und sich durch punktuelle Phänomene rasant verändern können, gilt es, in enger Zusammenarbeit zwischen allen relevanten Akteuren fundiert und passgenau hierauf zu antworten. Vor diesem Hintergrund streben die DG und das SM an, sich in den Bereichen der Interkulturalität, Interreligiosität und zur Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, wie in vielen anderen Themenbereichen, breit zu vernetzen.

Im Rahmen einer gemeinsamen Absichtserklärung sind Austausche zwischen den Ministerialverwaltungen von DG und SM, in Bezug auf die Themen Interkulturalität/Interreligiosität, Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die effiziente Vorbeugung von gewaltsamem Radikalismus, beabsichtigt und sollen initiiert und strukturiert werden.

Beide Seiten beabsichtigen die Initiierung eines regelmäßigen strategischen Austauschs: mindestens einmal pro Jahr soll ein Austausch zwischen der DG und dem SM über aktuelle Fragestellungen und Projekte stattfinden. Die zuständigen Minister sollen unabhängig voneinander entscheiden, welche regionalen Akteure in diese Austausche einbezogen werden sollen.

Beide Seiten beabsichtigen einen Lenkungsausschuss einzusetzen, bestehend aus jeweils mindestens einem Vertreter von DG und SM, der mit der organisatorischen Betreuung der beschriebenen Austausche betraut werden soll. Beide Seiten erwägen, gemeinsame grenzüberschreitende Projekte im Bereich des interkulturellen und interreligiösen Dialogs zu realisieren. Der Lenkungsausschuss soll damit beauftragt werden, über die Opportunität solcher Projekte zu beraten. Eine Weisungsgebundenheit zwischen den beiden unterzeichnenden Seiten der vorliegenden Gemeinsamen Absichtserklärung ist nicht gegeben.

Beide Seiten beabsichtigen, sich gegenseitig über durch sie durchgeführte oder andere relevante öffentliche Veranstaltungen in ihren Regionen (z.B. Sitzungen der Runden Tische der Religionen) zu informieren und, wenn opportun, hierzu einzuladen.

Vorbehaltlich geltender Eigentums- und Nutzungsbestimmungen planen beide Seiten, durch sie entwickelte Werkzeuge und Methoden im Bereich der Interkulturalität gegenseitig verfügbar zu machen.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Vorliegender Beschluss hat keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen.

4. Gutachten:

Das Gutachten der Finanzinspektion ist nicht erforderlich.

5. Rechtsgrundlage:

keine