Sitzung vom 11. April 2019

Erlass der Regierung zur vorläufigen Unterschutzstellung als Denkmal der ehemaligen Mädchenschule, Schulstraße 18 in Eupen

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet den Erlass zur vorläufigen Unterschutzstellung als Denkmal der ehemaligen Mädchenschule, Schulstraße 18 in Eupen.

Die Vize-Ministerpräsidentin, Ministerin für Kultur, Beschäftigung und Tourismus wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

Am 9. Mai 2018 hat die Königliche Denkmal- und Landschaftsschutzkommission einen Vorschlag auf Unterschutzstellung als Denkmal der ehemaligen Mädchenschule, Schulstraße 18 in Eupen eingereicht.

Nachdem ein Antrag vollständig vorliegt, entscheidet die Regierung innerhalb von zwölf Monaten über die Einleitung des Verfahrens zur vorläufigen Unterschutzstellung.

Vorgeschlagen wird die Unterschutzstellung der ehemaligen Mädchenschule mit der folgenden Begründung:

1. Gesellschaftspolitische Gründe: Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wuchsen Gewerbe und Industrie in Eupen sprunghaft an. Fabriken wurden erweitert oder neu errichtet.  Schuleinrichtungen waren für die Kinder der wachsenden Arbeiterschaft, zu denen auch die Frauen zählten, erforderlich. Auf die Kinderbewahranstalten, zunächst gegründet vom „Aachener Verein zur Beförderung der Arbeitsamkeit“ (David Hansemann), entstanden nach der Einführung der Schulpflicht durch die Preußische Regierung Schulein-richtungen, die für die Kinder eine Betreuung über den Tag, Erziehung und eine gewisse Bildung gewährleisten sollten. Absicht war nicht zuletzt die Entlastung und Freistellung der arbeitenden Bevölkerung von Betreuungsaufgaben. Schulbaurichtlinien ordneten die Anzahl der Schulklassen und deren Größe sowie Anzahl und Größe der Fenster zur ausreichenden Belichtung und Belüftung an, d. h. Schulhygiene war Voraussetzung für die Gesundheitserhaltung der Kinder und wurde eingefordert. Diese Vorgaben und Ansprüche wurden in den 1920er/30er Jahren von der Belgischen Regierung in eigenen Regelwerken übernommen und verbessert.
Das Bauwerk gibt Auskunft über Anspruch und Verpflichtung der Bauherren seinerzeit, die oft nicht ohne Selbstzweck die Notwendigkeit gemeinnütziger Leistungen und erzieherischen Maßnahmen erkannten, sie durch Förderung der Arbeiterkinder in Schulen verwirklichten und dabei den Zweck sozialer Bindungen bedachten.
Das Objekt ist ein Zeugnis gesellschaftspolitischer Bauvorhaben zur Verbesserung der Lebensumstände und Zukunftsaussichten der Jugend zur damaligen Zeit

2. Architekturgeschichtliche Gründe: Die Preußische Regierung setzte beim Bau ihrer öffentlichen Gebäude einen durchgängig einheitlichen Standard und eine unverwechselbare Architektursprache durch, die die Herkunft, den Bauherrn und die Bauepoche nicht verleugnen. Für die Planung von Schulgebäuden legte sie detaillierte Regeln auf, die in Bauzeitschriften veröffentlicht wurden. Musterbücher wurden zur Orientierung herausgegeben. Obligatorisch war die Verwendung regionaltypischer Baumaterialien.
Dieser Schulbau weist alle architektonischen Merkmale dieser Bauepoche auf und ist in allen Details ein anschauliches Architekturzeugnis des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die baulichen Veränderungen, die im nachfolgenden Jahr-hundert im Zuge von schulischen Erfordernissen notwendig waren, vermitteln überdies die signifikante Entwicklung in der Architektursprache. Sie sind heute an der Schauseite und in der inneren Struktur sichtbar. Sie wurde durch die Einflüsse der „Neuen Sachlichkeit“ ausgelöst, die nach 1900 europaweit, insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg einen Umbruch in der Architektur darstellten.
 

3. Städtebauliche Gründe: Am ursprünglichen Baukörper insbesondere, sowie am erweiterten Bau der 1920er Jahre wurde von den Planern stets auf die Erhaltung der vier aufwendig gestalteten Seiten des Gebäudes Wert gelegt. Es kann deshalb angenommen werden, dass der Bau seinerzeit als Solitär im Stadtbild erlebbar sein sollte. Insbesondere seine Lage an einem Dreiecksplatz spricht für die planerische Absicht, das stattliche Gebäude mit seiner bemerkenswerten Fassade als Blickfang im Stadtbild zu platzieren. Diesem Anspruch wird das Objekt, dank seines unverstellten Vorplatzes, heute noch im Stadtbild gerecht.

Der zuständige Dienst im Ministerium teilt die Einschätzung der Königlichen Denkmal- und Landschaftsschutzkommission für eine Unterschutzstellung. Das Gebäude sollte exemplarisch aus architektur-, regional- sowie sozialgeschichtlichen Gründen erhalten werden.

Geschützt werden sollen die Vorder- sowie die beiden Seitenfassaden der ehemaligen Mädchenschule, Schulstraße 18 in Eupen, da die vorhandene Bausubstanz und auch die Formensprache dieser Teile am besten den Zeugniswert des Gebäudes vermitteln können. Auch ermöglicht der Zustand der Bausubstanz dieser drei Fassaden einen langfristigen Erhalt. Die Bausubstanz des Vorplatzes selbst soll nicht geschützt werden, jedoch muss die uneingeschränkte Sicht auf die Vorderfassade des Gebäudes weiterhin gewährleistet bleiben.

Der Schutzbereich umfasst die folgenden Parzellen: Eupen, Gem. 1, Flur E, Nr. 302k, 308s, 308l, 308t, 308y sowie die angrenzende Straße und der Weg zwischen 302k und 208d2. Dieser ist im Erlass der Regierung entsprechend schraffiert und mit einem durchgehenden fetten Strich umrandet.

Der Schutzbereich ist nicht Teil des geschützten Guts, sondern soll seinem Schutz vor negativen Einwirkungen dienen. Der Schutzbereich wurde so angelegt, dass eventuelle negative Einflüsse auf das geschützte Gut durch Bautätigkeiten im Umfeld abgewendet werden können. Der Schutzbereich umfasst das unmittelbare Umfeld des geschützten Gutes, wesentliche Sichtachsen und andere Gebiete oder Merkmale, die eine wichtige praktische Rolle spielen, um das Gut und seinen Schutz zu unterstützen.

Der Schutzbereich wurde so angelegt, dass die spezifischen kulturlandschaftlichen Merkmale berücksichtigt wurden. Diese kulturlandschaftlichen Merkmale wurden anhand angemessener Mechanismen erfasst.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Die vorliegende Entscheidung hat keine finanziellen Auswirkungen.

4. Gutachten:

Kein Gutachten erforderlich, da die KDLK den Vorschlag eingereicht hat.

5. Rechtsgrundlage:

Dekret vom 23. Juni 2008 über den Schutz der Denkmäler, Kleindenkmäler, Ensembles und Landschaften sowie über die Ausgrabungen