Sitzung vom 12. Juli 2019

Gewährung eines zinslosen Darlehens an das AGORA Theater, Sankt Vith

1. Beschlussfassung:

Die Regierung gewährt der VoG. AGORA Theater mit Sitz Am Stellwerk 2 in 4780 Sankt Vith, zur ausschließlichen Finanzierung ihres Umlaufkapitals ein zinsloses Darlehen in Höhe von 100.000,- Euro (einhunderttausend) und verabschiedet den entsprechenden Erlass.

Der Ministerpräsident, Minister für lokale Behörden und Finanzen wird mit der Umsetzung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

2.1. Allgemeine Beschreibung des Vor- und Zwischenfinanzierungsinstrumentes

Die Regierung eröffnet verschiedenen Einrichtungen, die im Rahmen von Geschäftsführungsverträgen oder anderen Abkommen mit der Deutschsprachigen Gemeinschaft wichtige Dienstleistungen erbringen, die Möglichkeit über das Vor- und Zwischenfinanzierungsinstrument ein befristetes und zinsloses Darlehen zwecks Finanzierung ihres Umlaufkapitals zu beantragen. 

Während der Inanspruchnahme des Instrumentes verpflichten sich die Nutznießer, die Begleitung eines Finanzexperten zu akzeptieren.

Auftrag des Experten ist:

  • die Ermittlung des Bedarfs an Umlaufkapital in enger Zusammenarbeit mit der jeweiligen Einrichtung;

  • die Erstellung, nach Möglichkeit, eines geeigneten Finanzierungsmodells zur definitiven Eigenfinanzierung des Umlaufkapitals;

  • die Erstellung eines Plans zur Tilgung des Darlehens;

  • die finanzielle Begleitung der Einrichtung während der Dauer der Inanspruchnahme der Gelder.

2.2. Erörterung des Bedarfs an Umlaufkapital

Das AGORA Theater befindet sich seit diesem Jahr in der Situation eines Liquiditätsengpasses, zu dem verschiedene Umstände beigetragen haben.

  • Einbruch des französischen Marktes und Konkurs der Agentur

    Mit der Agentur „Comme il vous plaira“ arbeitet das Theater seit 2006 zusammen. In den 13 Jahren hat es sehr erfolgreiche aber auch weniger erfolgreiche Spielzeiten gegeben. In den letzten beiden Jahren ist der Vertrieb in Frankreich jedoch regelrecht weggebrochen, aus Gründen außerhalb des Einflussbereichs der Agora. Gleichzeitig war es dem Theater aufgrund einer Exklusivitätsklausel mit der Agentur nicht erlaubt, selber auf dem französischen Markt aktiv zu werden. Erst vor wenigen Wochen erfuhr das Theater, dass die Agentur Anfang 2019 Konkurs angemeldet hat. Die Weichen für eine neue Vertriebspolitik in Frankreich sind nun gestellt, werden aber erst mittelfristig zu einer wesentlichen Verbesserung der Vertriebszahlen in Frankreich führen.

  • Schwierige Vertriebssituation insgesamt

    Trotz Anstellung einer zusätzlichen Halbtagskraft für den Vertrieb seit 2015 ist der Umsatz, auch unabhängig von Frankreich, leicht rückläufig. Grund ist ein größeres Angebot bei gleichzeitig weniger Mitteln seitens der Veranstalter. Auch aufgrund von Generationswechseln bei vielen Kulturzentren und Veranstaltern müssen neue Kontakte und Vertrauensverhältnisse in die künstlerische Arbeit des AGORA Theaters etabliert werden.

  • Neuausrichtung der künstlerischen Arbeit

    Das AGORA Theater ist überzeugt, mit der neuen inhaltlichen und ästhetischen Ausrichtung seiner Arbeit einen entscheidenden Schritt gemacht zu haben, der das Theater an den aktuellen Puls der Zeit bringt – vielleicht auch dem Puls einen Schritt voraus, womit es an die Arbeit seines Gründers Marcel Cremer anknüpft, der auch in vielen Phasen seiner Theaterarbeit visionäre Ideen und Stücke entwickelte.

  • Hebelwirkung Haustarifvertrag und volle Arbeitgeberlasten

    Im Februar 2016 hat das AGORA Theater einen Haustarifvertrag für die Angestellten eingeführt, der die Gehälter etwas leistungsgerechter gestaltete. Diese Erhöhung der Lohnmasse war auch auf lange Sicht durchgerechnet und abgesichert. Durch die BVA-Reform der Deutschsprachigen Gemeinschaft setzte dann allerdings ein Hebel an, der die Lohnkosten ab 2018 schneller ansteigen ließ als vorausgeplant. Bei der Berechnung des BVA-Ausgleichs wurde in 2017 das Jahr 2015 als Referenzjahr für die Gehälter genommen, genau das Jahr vor der Einführung des Haustarifvertrags. Dieser Umstand führte zu einer Differenz zwischen BVA-Ausgleich und tatsächlichem Anstieg der LSS-Kosten.

Folgende Maßnahmen greifen bereits oder werden unternommen zur Stabilisierung der Haushaltslage, die ab 2021 wieder die Rückzahlung des Darlehens ermöglichen werden:

  • Stärkung des französischen Marktes durch eine Aufhebung der Exklusivitätsklausel mit der aktuellen Agentur und die Zusammenarbeit mit einer neuen Agentur;

  • massive Anstrengungen im Bereich der Akquise von Drittmitteln durch Koproduktionen und dadurch Senkung der eigenen Mittel bei den Produktionskosten;

  • strukturelle Reduzierung der Lohnkosten durch eine Senkung der Jahresendprämie von 100 auf 50% eines Monatsgehaltes;

  • Partizipation an EU-Förderinitiativen wie z.B. Erasmus+, Creative Europe, ...

  • zu erwartende höhere Grundförderung durch die Deutschsprachige Gemeinschaft ab 2020 durch neue Parameter in der Berechnung der Grundpauschale und der Personalpauschale.

2.3. Gutachten des Finanzexperten

In seinem Gutachten vom 14. Juni 2019 bestätigt das Steuerberatungsbüro Weynand und Partner die Umstände, die zu einer Verschlechterung des Betriebsergebnisses und zum aktuelle Liquiditätsengpass geführt haben. Gleichzeitig bescheinigt er dem AGORA Theater den mutigen Schritt, ein ausgeglichenes Ergebnis nicht durch einseitige Kürzungen der Ausgaben erreichen zu wollen, die unweigerlich Personalentlassungen und Reduzierung von Stückentwicklungskosten bedeutet hätten und somit eine schlechtere Qualität mit sich gebracht hätten, verbunden mit dem Risiko, eine Negativspirale in Gang zu bringen. Das Überbrückungsdarlehen soll den Fortbestand mit der aktuellen Personaldecke gewährleisten. Ein ausgeglichenes Ergebnis soll durch eine erneute Erhöhung der Erträge und eine sanfte, differenzierte Kostenkontrolle erzielt werden.

Die vorgenommenen Plausibilitätsprüfungen haben laut dem Experten keine unschlüssigen Aspekte aufgeworfen.

In der finanziellen Vorausschau des Experten ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:

  • die geplanten Einsparungen in den Personalkosten ohne Entlassungen scheinen realistisch;

  • die Leitung der VoG prüft in regelmäßigen Abständen die Einhaltung des Budgets;

  • die prognostizierten Erträge der Zukunft scheinen realistisch;

  • die prognostizierten Kosten können mittels regelmäßiger Überprüfung eingehalten werden.

Wenn sich die in der finanziellen Vorausschau berücksichtigten Hypothesen bewahrheiten, wird laut Experten die VoG in der Lage sein, das Darlehen in Höhe von 100.000 Euro innerhalb der Frist bis Ende Juni 2024 zu tilgen.

Zu guter Letzt: eine ähnliche Situation eines Liquiditätsengpasses durchlief das AGORA Theater bereits einmal im Jahre 2011. Ein von der Regierung zur Verfügung gestelltes Überbrückungsdarlehen von 80.000 Euro wurde seinerzeit in den vereinbarten Fristen vollständig zurückgezahlt. 

2.4. Auszahlungsmodalitäten

Die Auszahlung des zinslosen Darlehens erfolgt in einer Zahlung von 100.000,- Euro auf das Bankkonto der VoG. Nr. BE66 7311 0919 0043 nach Unterzeichnung des vorliegenden Vertrags.

2.5.  Tilgungsplan

Der Plan zur Tilgung des Darlehens wird wie folgt festgelegt:

Die Tilgung des Darlehens erfolgt in vier Teilzahlungen von je 25.000 Euro, jeweils zum 30. Juni der Jahre 2021, 2022, 2023 und 2024.

Die Rückerstattung der zur Verfügung gestellten Mittel erfolgt auf das Konto des Finanzierungs- und Beteiligungsfonds der Deutschsprachigen Gemeinschaft

Nr. BE78 0912 4000 3186.

Die Vereinigung kann zu jedem Zeitpunkt vorzeitige (Teil-)Tilgungen vornehmen.

Während der Rückgriffszeit wird das Steuerberatungsbüro Weynand & Partner, vertreten durch Herrn Herbert Weynand, die finanzielle Entwicklung der V.o.G. AGORA verfolgen.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Das rückzahlbare Darlehen geht zu Lasten des Finanzierungs –und Beteiligungsfonds.

Die Zusage betrifft variable Kredite, die im OB 70 – PR 25 – ZW 81.00 des Haushaltes des Jahres 2019 eingetragen sind.

Der Tilgungsplan sieht die Rückerstattung des gesamten Darlehensvertrages bis spätestens 30. Juni 2024 auf das Konto des Finanzierungs- und Beteiligungsfonds der Deutschsprachigen Gemeinschaft (BE78 0912 4000 3186) vor, sodass die vollständige Tilgung des zugesagten zinslosen Darlehens spätestens zu diesem Zeitpunkt erfolgt sein wird.

4. Gutachten:

Das Gutachten der Finanzinspektion vom   1. Juli 2019 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

  • Dekret vom 17. Januar 1994 zur Einrichtung von zusätzlichen Haushaltsfonds der Deutschsprachigen Gemeinschaft;
  • Dekret vom 25. Mai 2009 über die Haushaltsordnung der Deutschsprachigen Gemeinschaft;
  • Dekret vom 13. Dezember 2018 zur Festlegung des allgemeinen Haushaltsplanes der Deutschsprachigen Gemeinschaft für das Haushaltsjahr 2019;
  • Erlass der Regierung vom 15. Juni 2011 zur Ausführung des Dekretes vom 25. Mai 2009 über die Haushaltsordnung der deutschsprachigen Gemeinschaft.