Sitzung vom 10. September 2020

Anfrage zur Personalerhöhung von 0,25 Vollzeitäquivalenz in der ambulanten Begleitung der VoG Prisma

1. Beschlussfassung:

Die Regierung genehmigt eine Erhöhung von 0,25 Vollzeitäquivalenz in der ambulanten Begleitung der VoG Prisma.

Der Vize-Ministerpräsident, Minister für Gesundheit und Soziales, Raumordnung und Wohnungswesen wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

In einem Schreiben vom 10. Juli 2020 (Anlage 1) fragt die VoG Prisma eine Erhöhung der Stelle der ambulanten Begleitung in Höhe von 0,25 VZÄ an. Aktuell ist die Stelle der ambulanten Begleitung mit 19 Stunden besetzt. Mit der angefragten Aufstockung auf 28,5 Stunden möchte Prisma mehr Frauen in Notsituationen engmaschig und präventiv begleiten, aber auch ein Konzept zur Begleitung von Opfern häuslicher Gewalt erarbeiten, die in einer Notaufnahmewohnung in Ostbelgien untergebracht sind.

Prisma erläutert in ihrem Schreiben die Hindernisse, welche sie im Rahmen der Covid 19-Krise bewältigen mussten, vor allem im Bereich des Opferschutzes: die unzureichende Aufnahmekapazität des Frauenhauses, der Ausfall der Mitarbeiterin in der ambulanten Begleitung, welche durch zusätzliche Überstunden der anderen Mitarbeiterinnen aufgefangen wurde, sowie unflexible Strukturen um auf die Krisensituation kurzfristig zu reagieren.

Die Einrichtung der ambulanten Begleitung soll Opfer häuslicher Gewalt niederschwellig und zeitnah unterstützen, welche nicht notwendigerweise im Frauenhaus aufgenommen werden müssen, weil alternative Lösungen zur Verfügung stehen. Die Nutznießerinnen dieser ambulanten Begleitung sind Frauen aus der Psychosozialen- und der Opferberatung sowie die Nachbetreuung von ehemaligen Bewohnerinnen des Frauenhauses. Letztere wird durch die Sozialarbeiterin des Frauenhauses gewährleistet.

Während der Covid 19-Krise ist auch die Idee entstanden bei fehlender Aufnahme-kapazität des Frauenhauses auf Notaufnahmewohnungen zurückzugreifen. Hierzu hatte es bereits einen ersten Austausch mit der Stadt Eupen und dem ÖSHZ Eupen gegeben. Diese Frauen benötigen ebenfalls eine enge Begleitung, welche durch die ambulante Begleitung gewährleistet wird. Hierzu hat Prisma am 11. August 2020 einen Projektentwurf (Anlage 2) eingereicht. Vereinzelt wird diese Möglichkeit schon von Frauen genutzt, die auf der Warteliste des Frauenhauses stehen, vorausgesetzt die Frauen erhalten eine professionelle Begleitung.

Diese Anfrage wurde ebenfalls angesprochen im Rahmen des Begleitausschusses am 30. Juni 2020 und der Ausarbeitung des neuen Geschäftsführungsvertrages 2021-2024.

Stellungnahme Fachbereich

Mit der Erhöhung von 0,50 VZÄ auf 0,75 VZÄ in der ambulanten Begleitung verfolgt Prisma laut Anfrage zwei Ziele. Zum einem soll dadurch die steigende Anfrage in der ambulanten Begleitung aufgefangen werden und zum anderem ein neues Pilotprojekt mit den neun Gemeinden und den jeweiligen ÖSHZ gestartet werden für die Unterbringung von Frauen in Notaufnahmewohnungen sowie deren engen Begleitung.

  1. Analyse ambulante Begleitung

Die ambulante Begleitung ist eine intensive Begleitung von Opfern häuslicher Gewalt, die aus diversen Gründen nicht im Frauenhaus untergebracht werden können oder möchten. Diese Begleitung unterstützt die Frauen beim Aufbau eines gewaltfreien und autonomen Lebens und setzt sich aus drei Hauptthemen zusammen:

  • Juristische Belange, z. B.: die Nachbearbeitung von juristischen Terminen und die Übersetzung der Fachtermini in leichter Sprache;
  • Administrative Belange, z. B.: Behördengänge und das Ausfüllen von Formularen;
  • Psychologische Belange, z. B.: durch interne oder externe Fachkräfte werden die Frauen psychosozial begleitet.

Darüber hinaus besteht zur Begleitung der vorhandenen Kinder Kontakt mit spezialisierten Diensten. Dabei agiert Prisma kultursensibel d.h., dass die Beratung sowohl die Gleichheit aller Ratsuchenden als auch die individuellen Verschiedenheiten anerkennt.

Das folgende Schema stellt eine „typische“ ambulante Begleitung dar:

Quelle: Pilot-Projekt: Die Ambulante Begleitung von Opfern häuslicher Gewalt in den Notaufnahmewohnungen der Gemeinden in Ostbelgien

Im Jahre 2011 wurde die ambulante Begleitung gegründet und die folgende Tabelle spiegelt deren Entwicklung von 2013-2019 wider:

 

Jahr

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

Anzahl Frauen in der ambulanten Begleitung

10

8

19

23

21

45

36

Anzahl Beratungseinheiten

50

15

63,5

81

139

204,5

228

Quelle: Tätigkeitsbericht 2019: Prisma VoG – Frauenberatung und Frauenhaus – Januar 2020

Quelle: Pilot-Projekt: Die Ambulante Begleitung von Opfern häuslicher Gewalt in den Notaufnahmewohnungen der Gemeinden in Ostbelgien

Der Rückgang im Jahr 2019 im Vergleich zum Jahr 2018 erklärt sich dadurch, dass die bestehende 0,5 VZÄ-Stelle der ambulanten Begleitung nur zu 75% besetzt war und daher auch weniger Anfragen angenommen werden konnten. Jedoch waren die Beratungseinheiten mit 228 höher als im Jahr 2018 und mit viel Zeitaufwand verbunden.

Seit 2013 sind die Beratungseinheiten um 78% gestiegen von 50 auf 228 Einheiten im Jahr 2019 und die Anzahl Frauen ist ebenfalls während dem gleichen Zeitraum um 72% gestiegen von 10 auf 36 Frauen. Die Prognose für das Jahr 2020 liegt laut Prisma bei 40 Frauen und 215 Beratungseinheiten.

  1. Pilotprojekt - Notaufnahmewohnungen

Aufgrund der begrenzten Aufnahmekapazität von maximal 5 Frauen im Frauenhaus müssen Alternativlösungen gefunden werden für die Frauen, die trotzdem ihr zu Hause verlassen wollen und müssen. Eine Alternative wäre die Unterbringung in Notaufnahme-wohnungen mit einer engmaschigen und professionellen Begleitung der Opfer.

Während der Covid 19-Krise haben bereits erste Kontakte zwischen Prisma und der Stadt Eupen, Träger von Notaufnahmewohnungen, und dem ÖSHZ Eupen stattgefunden. Insgesamt gibt es 12 öffentliche Träger von Notaufnahmewohnungen, mit 71 Wohnungseinheiten und einer Kapazität für 238 Personen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Das Ziel des Projektes ist, auf ein Netzwerk von Notaufnahmewohnungen zurückgreifen zu können für die Aufnahme der o.e. Opfer in enger Kollaboration mit den zuständigen ÖSHZ.

Hierzu besteht die folgende Rechtsgrundlage:

Das Dekret vom 9. Mai 1994 über Notaufnahmewohnungen ermöglicht laut

Artikel 18.1

Wenn ein Träger für eine Person in einer Notlage über keine oder keine adäquate Notaufnahmewohnung verfügt, ist es ihm gestattet, diese Person in einer Notaufnahmewohnung eines anderen Trägers unterzubringen unter der Bedingung, dass zwischen den beiden Trägern ein entsprechendes Abkommen über die Zurverfügungstellung abgeschlossen wird. Die Regierung legt die Rahmenbedingungen des Abkommens fest.

Darüber hinaus legt Gesetz vom 2. April 1965 bezüglich der Übernahme von den öffentlichen Sozialhilfezentren gewährten Hilfeleistungen fest:

Art. 2 –

[§1. In Abweichung von Artikel 1 Nr. 1 ist das [öffentliche Sozialhilfezentrum] der Gemeinde, in der der Betreffende seinen Hauptwohnort hatte und als solcher im Bevölkerungs‑ oder Fremdenregister [oder im Warteregister] eingetragen war zum Zeitpunkt seiner Aufnahme in einer untenerwähnten Einrichtung oder bei einer dort erwähnten Privatperson, zuständig, um die notwendige Hilfe zu gewähren, wenn Unterstützung erforderlich ist :

1. […]

[in einer Einrichtung oder Anstalt, die von der zuständigen Behörde anerkannt ist, um notleidende Personen aufzunehmen und sie zeitweise zu beherbergen und zu betreuen,

[…]

Dies bedeutet, dass die ÖSHZ auf Notaufnahmewohnungen anderer Gemeinden zurückgreifen können, wenn sie mit dem anerkannten Träger ein Abkommen abschließen und das ÖSHZ der Herkunftsgemeinde bleibt zum Zeitpunkt der Aufnahme zuständig zur Gewährung eventueller Hilfen. Das Ausweichen auf eine Notaufnahmewohnung in eine andere Gemeinde kann durch den geographischen Abstand zum Aggressor ein zusätzlicher Schutz sein. Somit bietet die Rechtsgrundlage die Basis des Pilotprojektes und zur Umsetzung sieht Prisma folgende Phasen vor:

  • 1. Phase ab Oktober 2020: Vorbereitende Arbeit mit den strukturellen Gegebenheiten und den 9 Gemeinden/ÖSHZ.
  • 2. Phase: Begleitung der Opfer während der Wohnphase, enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Gemeinden/ÖSHZ und Hilfe bei der Suche nach einer langfristigen Unterkunft.
  • 3. Phase: Hilfestellung beim Auszug und Einzug in eine neue Unterkunft, sowie die Nachbetreuung.

Für dieses Jahr kann das Projekt mit der Personalaufstockung auf Grundlage des aktuellen Geschäftsführungsvertrages 2016-2019 zwischen der Regierung und der VoG Prisma - Punkt 7.3. Neue Aufgaben und Projekte im Laufe der Umsetzung des Vertrages, ausgeführt werden.

Des Weiteren ermöglicht die Ausarbeitung des neuen Geschäftsführungsvertrages 2021-2024, eine Personalaufstockung entsprechend vorzusehen.

Schlussfolgerung und Empfehlung des Fachbereichs

Die aktuelle Krise durch Covid-19 hat gezeigt, dass Opfer häuslicher Gewalt während der Ausgangssperre einem größeren Risiko ausgesetzt waren. Des Weiteren fehlte und fehlt die informelle Kontrolle durch Nachbarn, Freunde und Bekannten, die den Opfern helfen könnten. Der Austausch mit den anderen Teilstaaten, hat diese Beobachtung bestätigt und vor allem die Bedeutsamkeit der Beratungsstellen nochmals hervorgehoben.

Außerdem haben die Beratungsstellen der anderen Teilstaaten und auch Prisma während der Covid-19 Krise einen deutlichen Anstieg an Anfragen verbucht. Auch unabhängig von der Krise sind die Zahlen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.

Die Statistiken zur Entwicklung der ambulanten Begleitung und die Umstände in 2020 haben gezeigt, wie wichtig es ist durch Flexibilität und neue Konzepte auf die Situation und die Entwicklung in der Gesellschaft zu reagieren. Den Vorschlag zur Erarbeitung eines Konzeptes in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Trägern der Notaufnahmewohnungen zur Begleitung von zusätzlichen Opfern häuslicher Gewalt begrüßen wir und denken, dass die Maßnahme auch präventiv und zeitnah bei Platzmangel im Frauenhaus greifen kann.

Laut wissenschaftlichen Studien wird die Hypothese bestätigt, dass die Intensität der häuslichen Gewalt nach der Geburt und während der ersten betreuungsintensiven Jahre von Kleinkindern zunimmt. Deshalb empfiehlt der Fachbereich, dass im Rahmen der Eltern-Kind-Kurse sowie in der Eltern-Kind-Bildung die Aufstockung ebenfalls für Präventionsarbeit gegen häusliche Gewalt in Zusammenarbeit mit Kaleido Ostbelgien genutzt wird.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Seit 11. Mai 2020 ist die Stelle der ambulanten Begleitung vakant und wird nach einem neuen Bewerbungsaufruf mit einer Sozialassistentin für den 1. Oktober 2020 mit 0,5 VZÄ neu besetzt. Die zusätzlichen Kosten kämen zu Lasten des OB50, Pr. 15, Zw. 33.01.

Die folgende Tabelle beziffert die Gehaltskosten der neuen Mitarbeiterin nach Einstufung für den Zeitraum 1.10.2020 bis 31.12.2020 und für das gesamt Jahr 2021.

Kosten

 

19 Stunden

28,5 Stunden

Differenz

Dienstalter

1.10.2020 – 31.12.2020

9.635,17 €

14.452,76 €

4.817,59 €

30

1.01.2021 – 31.12.2021

37.620,01 €

56.430,01 €

18.810,00 €

31

 

Die Mehrkosten einer Personalaufstockung in der ambulanten Begleitung ab dem 1. Oktober 2020 belaufen sich für das laufende Haushaltsjahr auf 4.817,59 €. Da die Stelle aufgrund von Krankheit nur zeitweilig besetzt war und zudem seit dem 11. Mai 2020 vakant ist, sind noch Reserven für die Aufstockung für das laufende Jahr vorhanden.

Ab dem Haushaltsjahr 2021 belaufen sich die rekurrenten Mehrkosten der Personal-aufstockung von 19 Stunden auf 28,5 Stunden in der ambulanten Begleitung auf 18.810,00 €.

4. Gutachten:

Das Gutachten des Finanzinspektors vom 31. August 2020 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

  • Gesetz vom 2. April 1965 bezüglich der Übernahme der von den öffentlichen Sozialhilfezentren gewährten Hilfeleistungen.
  • Dekret vom 9. Mai 1994 über Notaufnahmewohnungen
  • Dekret vom 25. Mai 2009 über die Haushaltsordnung der Deutschsprachigen Gemeinschaft
  • Punkt7.3 des Geschäftsführungsvertrages 2016-2019 vom 21. April 2016 zwischen der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft und dem Frauenzentrum für Beratung, Bildung und Opferschutz, VoG Prisma, zuletzt abgeändert am 21. November 2019.