Abnabelung /Leistungsdruck

Amanda (14): Im Moment habe ich echt keinen Bock mehr auf Schule, Lernen und so. Der ganze Tag dreht sich doch nur um Ergebnisse und Leistungen: morgens in der Schule, zwei Mal in der Woche dann nachmittags beim Sport – ich mache Kunstturnen -, dann zu Hause noch Hausaufgaben und die Vorbereitungen für die Klassenarbeiten und Prüfungen. Manchmal ist mir das einfach alles zu viel.

Mein Vater setzt mich mit der Schule nicht sonderlich unter Druck, meine Mutter wohl. Wenn das Zeugnis da ist, macht sie meinen Vater ganz verrückt, bis er sich auch aufregt und mir die Leviten liest. Kurz danach hat er alles vergessen. Was wollen die eigentlich? Ich bin doch nicht schlecht in der Schule und hab auch nette Freunde und Freundinnen. Die Erwachsenen reden immer so, als würden wir heute nur faulenzen, dauernd schlechte Noten schreiben und unser Leben nicht auf die Reihe kriegen.

Aber es gibt doch für uns Jugendliche doch auch noch was Anderes! Wir wollen Spaß haben, einfach mal chillen und abhängen. Sobald ich irgendwas nicht total ernst nehme, macht meine Mutter einen Elefanten draus. „Du wirst durchfallen, deine Freunde verlieren, dein ganzes Leben versauen.“ Da mach‘ ich dicht. Da verlier‘ ich die Lust. Und in meinem Zeugnis stand zuletzt: „Hat nicht genug Selbstvertrauen.“ Ich fühle mich manchmal total zerrissen. Können Erwachsene uns Kinder nicht einfach mal in Ruhe lassen? Wir kriegen das schon hin!

Herr G. (45): Eigentlich habe ich ein gutes, offenes Verhältnis zu meinen Kindern. Nur unterscheiden sich meine Ansichten die Schule betreffend in einigen entscheidenden Dingen von den Einstellungen und Erwartungen meiner Frau. Oft habe ich den Eindruck, dass wir nur deshalb so häufig Streit haben, weil Amanda in ihrem pubertären Verhalten natürlich unsere Grenzen austestet und uns gegeneinander ausspielt.

Vor allem in schulischen Angelegenheiten sind wir oft unterschiedlicher Meinung. Mein Vater wollte immer perfekt sein. Das war unerträglich und außerdem unrealistisch. Bei meinen eigenen Kindern versuche ich einfach, ein ganz normaler Vater zu sein. Ich finde es wichtig, dass die Kinder auch aus ihren Fehlern und Misserfolgen ihre Lehren ziehen. Das hilft ihnen, in ihre eigene Verantwortung zu gehen. Außerdem kann man nicht in allen Bereichen gut sein. Manchmal muss man auch den Mut zur Lücke haben.

Amanda saß letzte Woche mit Felix an einer Arbeit für den Informatik-Unterricht. Irgendwann hörte ich ihn sagen: „Wir sollten deinen Vater fragen“, worauf meine Tochter meinte: “Das kannst du vergessen, so was checken Eltern doch nicht.“ Erst hatte ich Lust, mich aufzuregen, aber dann habe ich mir gesagt: “Lass gut sein. Du weißt, was du alles draufhast. Dafür können die jungen Leute eben andere Sachen.“

Ich kann heute sagen, dass ich trotz der Schwierigkeiten mit meinem Vater gerne zur Schule gegangen bin und zum Glück auch gute Lehrer und Freunde hatte, mit denen ich mal sprechen konnte, wenn ich zu viel Stress hatte.

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