Sitzung vom 13. Juli 2017

Zusammenarbeitsabkommen zwischen dem Föderalstaat, der Wallonischen Region, der Flämischen Region, der Region Brüssel-Hauptstadt und der Deutschsprachigen Gemeinschaft über die Bestimmung einer gemeinsamen Liste von Prüfstellen, die für die Kontrolle der digitalen Wahlsysteme zugelassen sind, und die Ausarbeitung der künftigen Zusammenarbeit

1. Beschlussfassung:

Die Regierung genehmigt das Zusammenarbeitsabkommen zwischen dem Föderalstaat, der Wallonischen Region, der Flämischen Region, der Region Brüssel-Hauptstadt und der Deutschsprachigen Gemeinschaft über die Bestimmung einer gemeinsamen Liste von Prüfstellen, die für die Kontrolle der digitalen Wahlsysteme zugelassen sind, und die Ausarbeitung der künftigen Zusammenarbeit.

Die Vize-Ministerpräsidentin, Ministerin für Kultur, Beschäftigung und Tourismus wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

2.1. Zusammenarbeitsabkommen

Gemäß Artikel L4211-2 §2 des Kodex der lokalen Demokratie und der Dezentralisierung dürfen die digitalen Wahlsysteme nur benutzt werden, wenn sie den von der Regierung festgelegten allgemeinen Zulassungsbedingungen entsprechen, wobei diese Bedingungen zumindest die Zuverlässigkeit, die Sicherheit des Systems und das Stimmgeheimnis gewährleisten. Nach Stellungnahme einer von ihr zugelassenen Prüfstelle kann die Regierung diese Übereinstimmung feststellen.

Die Liste der per Königlichem Erlass zugelassenen Prüfstellen ist veraltet. Aus diesem Grund ist es an der Zeit, einen neuen Bewerberaufruf zu starten, um eine neue Liste zugelassener Prüfstellen zu erstellen.

In dieser Hinsicht und aufgrund der Tatsache, dass verschiedene föderale und gliedstaatliche Verwaltungen für die Organisation von Wahlen zuständig sind, ist es angebracht, gemeinsame Prüfstellen zu bestimmen. Da die benutzten digitalen Wahlsysteme im Rahmen gemeinsamer öffentlicher Aufträge entwickelt werden, ist es logisch, wenn die verschiedenen Verwaltungen auf die gleichen Prüfstellen zurückgreifen, um – falls möglich - durch Bündelung der Anfragen nach Stellungnahmen von Synergieeffekten zu profitieren.

Dies ist das Ziel des gemeinsamen Bewerberaufrufs (siehe Punkt 2.2.), welcher im Zusammenarbeitsabkommen erläutert wird. Dieses Zusammenarbeitsabkommen sieht in Artikel 3 folgendes vor:

Die Redaktion eines Bewerberaufrufs durch eine technische Gruppe, welche sich aus Vertretern der verschiedenen betroffenen Wahlverwaltungen zusammensetzt.

Die Bezeichnung der Dienstleister für die Liste geschieht in gegenseitigem Einverständnis der Parteien des Abkommens.

2.2. Bewerberaufruf

Zur Erstellung einer neuen gemeinsamen Liste zugelassener Prüfstellen wird ein Bewerberaufruf sowohl auf belgischer, als auch auf europäischer Ebene veröffentlicht.

2.2.1. Verlangte Kompetenzen und Verstärkung der externen Kontrolle

Der Programmierfehler von 2014 hat die Grenzen der aktuellen externen Kontrolle aufgezeigt, als dieser von der Prüfstelle unbemerkt blieb. Es ist also angebracht, die externe Kontrolle zu verschärfen um anhand von neuen Bedingungen für die Kontrolle die Sicherheit der Wahlprozedur zu garantieren.

Die Prüfstellen müssen folgende gründliche Kenntnisse vorweisen oder erwerben:

  • Die verschiedenen anwendbaren Wahlrechtsvorschriften (föderal und regional/gemeinschaftlich)
  • Die Rechtsvorschriften über den Sprachengebrauch
  • Projektmanagement (Prince2, …)
  • Die verwendeten Programmiersprachen
  • IT-Normen wie beispielsweise ISO27000, COBIT, ISO25010, OWASP, …

Möglichkeit zum Entzug der Zulassung für die Prüfstelle

Der Bewerberaufruf sieht klare Regeln für den Entzug der Zulassung einer Prüfstelle vor, insbesondere wenn diese ihre Aufträge nicht korrekt ausführt.

Verschärfung der von der Prüfstelle gefragten Kontrollen

Eine Liste präziser Aufgaben ohne Anspruch auf Vollständigkeit wird im Bewerberaufruf beschrieben. Diese Aufgaben sollen die Aufträge der Prüfstellen bestmöglich unterstützen.

  • Bei jeder Stellungnahme führt die Prüfstelle ebenfalls eine detaillierte Risikoanalyse durch.

  • Die Prüfstelle erstellt einen Projektplan, welcher eine Beschreibung der Tests und der Methodik enthält und übergibt diesen der zuständigen Behörde. Der Projektplan zieht die technologischen Entwicklungen und die in der Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse in Betracht und wird im Vorfeld jeder Wahl kritisch bewertet und aktualisiert. Die Behörde kann anfragen, dass gewisse Tests hinzugefügt werden.

  • Die Tests beziehen sich sowohl auf die funktionelle Situation, als auch auf die Quellcodes. Für die technischen Kontrollen wird geschaut, ob die in diesem Moment aktuellsten Erfolgsmethoden in Betracht gezogen werden.

  • Die Behörde hat das Recht auf Einblick in die Ausführung sämtlicher Tests und kann die Durchführung einer gewissen Anzahl zusätzlicher Tests fragen.

  • Fristen zur Bestimmung der minimalen Deadlines für die Ausführung des Kontrollauftrags.
    Um die Qualität und die Vollständigkeit zu garantieren ist es wichtig, dass die Prüfstelle über ausreichend Zeit für die Ausführung des Auftrags verfügt. Aus diesem Grund sieht der Bewerberaufruf folgendes vor:

    • Der Auftrag der Prüfstelle beginnt mindestens 6 Monate vor der Wahl.

    • Drei Monate nach Beginn des Auftrags und spätestens drei Monate vor der Wahl wird ein Zwischenbericht eingereicht. Dieser Zwischenbericht soll bewerten, ob die Wahlsysteme anhand von eventuellen Anpassungen, welche in der verbleibenden Zeit noch realisierbar sind, ohne die Integrität des Wahlprozesses zu gefährden, benutzt werden können.

2.2.2. Verhältnis zwischen den Behörden, den Lieferanten der Programme und den Prüfstellen

Nach dem erwähnten unentdeckten Programmierfehler von 2014 wurde die bisherige Kontrollprozedur in Frage gestellt. Insbesondere die mangelnde Unabhängigkeit zwischen der Prüfstelle und der Entwicklerfirma des Programms wurde kritisiert, da die Prüfstelle von der zu kontrollierenden Firma ausgesucht und bezahlt wird.

Aufgrund dieser Kritik wurde eine mögliche Änderung der Prozedur für die Wahl und die Bezahlung der Prüfstelle anhand von zwei anderen Prozeduren analysiert. Bei der bisherigen Prozedur (I) wurde die Prüfstelle aus einer Liste ausgewählt und von der zu kontrollierenden Firma bezahlt. Die Auswahl der Prüfstelle aus einer Liste, welche von den Behörden bezahlt wird (II), oder eine einzige zugelassene Prüfstelle, welche von den Behörden bezahlt wird (III), bilden die beiden anderen analysierten Prozeduren.

Im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse dieser Analyse:

  • Die Unabhängigkeit kann im Falle aller drei Prozeduren gleichermaßen kritisiert werden.

  • Im Falle der ersten Prozedur werden die Kosten der Kontrolle für die Erstellung der Preise in Betracht gezogen und somit indirekt auf die Behörden übertragen.

  • Die Prozeduren II und III erfordern eine öffentliche Ausschreibung. Im Rahmen einer öffentlichen Auftragsvergabe könnte beispielsweise ein Einspruch vor dem Staatsrat kostbare Zeit kosten.

In Anbetracht dieser Erkenntnisse haben sich die betroffenen Wahlverwaltungen einstimmig für einen Erhalt der bisherigen Prozedur ausgesprochen, welche jedoch anhand von zusätzlichen Bedingungen eine erhöhte Kontrolle der Behörden über das Verhältnis zwischen den Lieferanten und den Prüfstellen aufweisen soll.

Die angepasste Prozedur I sieht demnach wie folgt aus:

  • Der Lieferant der Programme wendet sich frei an eine der auf der Liste zugelassenen Prüfstellen. Der Lieferant trägt die Kosten der Stellungnahme.

  • Die Wahl einer Prüfstelle durch den Lieferanten muss begründet werden und von der für die Wahl zuständigen Behörde genehmigt werden. In jedem Fall muss der Vertrag zwischen dem Lieferanten des Programms und der Prüfstelle der betroffenen Behörde übermittelt werden.

  • Alle im Rahmen der Stellungnahme erstellten Dokumente müssen der zuständigen Behörde übermittelt werden.

2.3. Künftige Zusammenarbeit

Artikel 5 des Zusammenarbeitsabkommens sieht vor, dass die verschiedenen Verwaltungen des Föderalstaats und der Teilstaaten, die für Wahlen befugt sind, auf Initiative ihrer führenden Beamten Plattformen für den Austausch von Know-how und Unterstützung schaffen können, um die gute Ausführung ihrer Wahlprozesse im Interesse von allen Beteiligten (Wähler, Kandidaten, Parteien, Gemeindeverwaltungen, Wahlbüros) zu garantieren.

Dies bietet den Wahlverwaltungen die Möglichkeit, insofern sie es wünschen, ihre Ressourcen im Rahmen der Organisation der verschiedenen Typen Wahlen untereinander zu verteilen.

Man denke beispielsweise an

  • den kostenlosen Gebrauch von spezifischem Material einer Verwaltung durch eine andere Verwaltung;

  • die punktuelle Teilnahme des Personals einer Verwaltung an den Wahloperationen einer anderen Verwaltung (unter der Verantwortung der empfangenden Verwaltung).

Diese Austausche geschehen ausschließlich auf freiwilliger Basis und die eventuellen Kosten hiervon werden Teil von besonderen Absprachen zwischen den führenden Beamten der betroffenen Verwaltungen.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Der Bewerberaufruf bringt keine direkten Kosten mit sich. Hierbei handelt es sich um eine formelle Bezeichnung zugelassener Prüfstellen.

Die Gesetzgebung sieht vor, dass die digitalen Wahlsysteme vor jeder Wahl geprüft werden. Diese Stellungnahme wird vom Lieferanten des Wahlsystems bei einer der zugelassenen Prüfstellen angefragt und indirekt der Verwaltung in Rechnung gestellt.

Wie in Punkt 2.1. erwähnt verwenden die verschiedenen Verwaltungen identische digitale Wahlsysteme. Demnach sollte man zu gemeinsamen Anfragen für Stellungnahmen tendieren, um eine Umlage der Kosten zu erreichen, welche den Verwaltungen indirekt in Rechnung gestellt werden. Diese Verteilung der Kosten wird in Artikel 2 des Zusammenarbeitsabkommens vorgesehen, welcher die verschiedenen Hypothesen gemeinsamer Anfragen zwischen Verwaltungen vorsieht, nämlich:

  • Stellungnahme, welche durch die föderalen Behörden und eine/mehrere gliedstaatliche Behörde/Behörden angefragt wird:

  • 50% zu Lasten der föderalen Behörden

  • 50% zu Lasten der gliedstaatlichen Behörde/Behörden

Wenn mehrere gliedstaatliche Behörden betroffen sind, erfolgt die Verteilung der hierüber genannten 50% zwischen den gliedstaatlichen Behörden im Verhältnis zur Anzahl Wähler, welche das betroffene System benutzen (Wenn das betroffene Programm beispielsweise die elektronische Wahl mit Papierbescheinigung betrifft, werden nur die Wähler in Betracht gezogen, welche anhand des elektronischen Wahlsystems mit Papierbescheinigung wählen). Diese Verteilung basiert auf der Anzahl Wähler, welche bei den letzten Regional- und Gemeinschaftswahlen in jedem Teilstaat eingeschrieben waren. Wenn eine gliedstaatliche Behörde, welche das digitale Wahlsystem benutzt, nicht an der Stellungnahme teilnimmt, wird ihr Anteil vom Föderalstaat (FÖD Inneres) übernommen.

Beispiel I

Wenn 2018 von allen Wahlverwaltungen eine Stellungnahme für die Anwendung zur Übermittlung der Resultate „MARTINE“, welche für alle Wahlverwaltungen entwickelt wurde (sowohl für elektronische, als auch für Papierwahlen), angefragt wird, erfolgt die Verteilung der 50% anhand der Wählerzahlen von 2014 (letzte Regional- und Gemeinschaftswahlen) wie folgt:
 

 

Wähler in Belgien

%

Flämische Region

4.772.829

60,6342701

Region Brüssel-Hauptstadt

583.173

7,4086604

Wallonische Region

2.466.492

31,3344438

Deutschsprachige Gemeinschaft

49.010

0,6226256

Föderalstaat (FÖD Inneres)

 

0 (=> Alle betroffenen Teilstaaten sind beteiligt)

Total

7.871.504

100

 

 

Beispiel II

Wenn 2018 von allen Wahlverwaltungen mit Ausnahme der flämischen Behörden eine Stellungnahme für die Anwendung zur Übermittlung der Resultate „MARTINE“, welche für alle Wahlverwaltungen entwickelt wurde (sowohl für elektronische, als auch für Papierwahlen), angefragt wird, erfolgt die Verteilung der 50% anhand der Wählerzahlen von 2014 (letzte Regional- und Gemeinschaftswahlen) wie folgt:
 

 

Wähler in Belgien

%

Flämische Region

Die Anwendung wird während den „föderalen“ Wahlen benutzt aber es gibt keine Anfrage der flämischen Behörden

-

Region Brüssel-Hauptstadt

583.173

7,4086604

Wallonische Region

2.466.492

31,3344438

Deutschsprachige Gemeinschaft

49.010

0,6226256

Föderalstaat (FÖD Inneres)

Da die Anwendung MARTINE während den föderalen Wahlen in Flandern benutzt wird, greift der Föderalstaat in diesem Fall ein.

4.772.829

60,6342701

Total

7.871.504

100


Beispiel III
Wenn 2018 vom FÖD Inneres, den flämischen Behörden, der Region Brüssel-Hauptstadt und der Deutschsprachigen Gemeinschaft eine Stellungnahme zur Software für die elektronische Wahl mit Papierbescheinigung (Smartmatic), welche mit Ausnahme der Wallonischen Region in allen Teilstaaten benutzt wird, angefragt wird, erfolgt die Verteilung der 50% anhand der Wählerzahlen von 2014 (letzte Regional- und Gemeinschaftswahlen) wie folgt:

 

 

Wähler in Belgien

%

Flämische Region (nur die Wähler die elektronisch wählen)

2.746.423

81,2886439

Region Brüssel-Hauptstadt (100% elektronische Wahlen)

583.173

17,2607578

Wallonische Region

In der Wallonischen Region wird die Software weder bei den lokalen, noch bei den „föderalen“ Wahlen benutzt.

0

Deutschsprachige Gemeinschaft (100% elektronische Wahlen)

49.010

1,4505983

Föderalstaat (FÖD Inneres)

In der Wallonischen Region wird die Software weder bei den lokalen, noch bei den „föderalen“ Wahlen benutzt.

0

Total

3.378.606

100

 

Stellungnahme, welche durch mehrere gliedstaatliche Behörden angefragt wird (ohne Beteiligung des Föderalstaats)

Die Verteilung der Kosten für diese Stellungnahme zwischen den Teilstaaten erfolgt im Verhältnis zur Anzahl Wähler, welche das betroffene System benutzen. Diese Verteilung basiert auf der Anzahl Wähler, welche bei den letzten Regional- und Gemeinschaftswahlen in jedem Teilstaat eingeschrieben waren.

4. Gutachten:

Das Gutachten des Finanzinspektors liegt vor. 

5. Rechtsgrundlage:

Artikel 4 §3 des Gesetzes vom 7. Februar 2014 zur Organisierung der elektronischen Wahl mit Papierbescheinigung

Artikel L4211-2 §2 des Kodex der lokalen Demokratie und der Dezentralisierung