Sitzung vom 31. August 2017

Vorentwurf eines Dekrets über die Familienleistungen

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in zweiter Lesung den Vorentwurf des Dekrets über die Familienleistungen.

Die Regierung beschließt, in Anwendung von Artikel 84 §1 Absatz 1 Nummer 2 der koordinierten Gesetze über den Staatsrat vom 12. Januar 1973 das Gutachten in einer 30-Tages-Frist zu beantragen.

Der Minister für Familie, Gesundheit und Soziales wird mit der Durchführung des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

2. Erläuterungen:

Vorliegender Dekretvorentwurf reformiert die Familienleistungen, für die die Deutschsprachige Gemeinschaft im Rahmen der sechsten Staatsreform zuständig geworden ist, und schafft dazu eine neue und einheitliche Rechtsgrundlage.

Der Dekretvorentwurf setzt das Konzept zur Übernahme der Familienleistungen um, welches die Regierung am 2. September 2016 verabschiedet hat.

Die im Rahmen vorliegenden Dekretvorentwurfs geregelten Familienleistungen umfassen das Kindergeld sowie die Geburts- und der Adoptionsprämie. Bei dem Kindergeld handelt es sich um regelmäßige Zahlungen. Die Prämien sind einmalige Zahlungen. Diese Leistungen dienen dazu, allen Kindern Entwicklungs- und Entfaltungschancen zu bieten, einen teilweisen Ausgleich der erhöhten Kosten des Haushalts aufgrund der Unterhaltkosten von einem oder mehreren Kindern zu bieten und die Kinderarmut zu bekämpfen.

Wichtigste Unterschiede zum heutigen System sind das Recht des Kindes aufgrund des Wohnortes sowie ein einheitliches Basiskindergeld für alle Kinder, unabhängig vom Alter des Kindes oder der Anzahl Kinder in der Familie. Dementsprechend werden die Alterszuschläge und die unterschiedliche Höhe des Basiskindergeldes je nach Rang des Kindes abgeschafft. Daneben werden ein Jahreszuschlag,  ein Sozialzuschlag, ein Zuschlag für Waisen und  ein Zuschlag für kinderreiche Familien gewährt.

 

Aktuelles System

Neues System

Recht aufgrund der berufsständischen Situation der Eltern.

 

Für Kinder, die aufgrund der  berufsständischen  Situation der Eltern kein Recht eröffnen, besteht das System der garantierten Familienleistungen.

Jedes Kind, das im deutschen Sprachgebiet seinen Wohnsitz hat, hat Recht auf Kindergeld.

 

Das System der garantierten Familienleistungen wird aufgehoben.

Bedingungsloses Recht bis zum August des Jahres, in dem das Kind 18 wird .

Jedes Kind hat ein bedingungsloses Recht auf Kindergeld bis einschließlich zu dem Monat, in dem es 18 Jahre alt wird.

Recht als Schulabgänger während 360 Tagen mit eventueller Verlängerung.

Das Recht als Schulabgänger gilt während 12 Monaten nach dem Ende des bedingungslosen Rechtes oder des Rechtes aufgrund der Ausbildung.

Der Basisbetrag ist je nach Rang unterschiedlich.

Der Basisbetrag wird einheitlich. Ein allgemeiner Zuschlag ab dem dritten Kind wird eingeführt.

Kinder ab 6 Jahren erhalten einen Alterszuschlag.

Der Alterszuschlag wird aufgehoben.

Der Jahreszuschlag ist abhängig vom Alter des Kindes und davon, ob es Recht auf einen Sozialzuschlag hat.

Der Jahreszuschlag wird vereinheitlicht.

Arbeitslose, Rentner, Invalide, Langzeitkranke oder Alleinerziehende, die eine Einkommensgrenze nicht überschreiten erhalten einen Sozialzuschlag.

Das Kind, das Recht auf eine erhöhte Beteiligung der Gesundheitspflegeversicherung  hat, hat Recht auf einen Sozialzuschlag

Der Sozialzuschlag ist je nach Rang unterschiedlich und nimmt mit dem Rang ab.

Der Sozialzuschlag wird vereinheitlicht.

Voll- und Halbwaisen erhalten erhöhtes Waisenkindergeld.

Voll- und Halbwaisen erhalten den Basisbetrag. Vollwaisen haben Recht auf einen spezifischen Zuschlag.

Pauschale für leibliche Eltern von Pflegekindern

Leibliche Eltern von Kindern in Pflegefamilien oder in Einrichtungen können bei spezifischem Bedarf individuell im Bereich Jugendhilfe finanziell unterstützt werden.

Ein Drittel des Kindergeldes wird für Kinder, die in einer Einrichtung untergebracht sind, auf ein Sperrkonto des Kindes gezahlt, oder aber  an den vorherigen Kindergeldempfänger.

 

Diese Möglichkeit besteht für Pflegekinder nicht.

Für Kinder, die im Rahmen der Jugendhilfe oder des Jugendschutzes in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung untergebracht sind, wird im Bereich der Jugendhilfe eine finanzielle Unterstützung zur Förderung ihrer Integration bei Beendigung der Maßnahme gewährt. .

Zwei Drittel des Kindergeldes für Kinder, die in einer Einrichtung untergebracht sind, wird  an die Einrichtung bzw. die Gemeinschaft, die die Einrichtung bezuschusst oder die Kosten für die Unterbringung übernimmt, gezahlt.

Bei Unterbringung des Kindes in einer Einrichtung wird ein Drittel  des Kindergeldes an den Kindergeldempfänger gezahlt. Zwei Drittel werden an die Einrichtung bzw. die Behörde, die die Kosten für die Unterbringung übernimmt, gezahlt.

Prinzipiell ist die Mutter der Empfänger des Kindergeldes.

Das Kindergeld wird an den Elternteil gezahlt, der denselben Wohnsitz wie das Kind hat.

 

Haben beide Elternteile denselben Wohnsitz, erhält die Mutter bzw. bei gleichgeschlechtlichen Eltern der ältere Elternteil das Kindergeld.

Hat keiner der Elternteile denselben Wohnsitz wie das Kind, erhält die Person, die das Kind tatsächlich großzieht das Kindergeld (z.B. Großeltern, Pflegefamilie, …).

Die Geburts- und Adoptionsprämie sind je nach Rang unterschiedlich

Die Prämien werden einheitlich.

Die Familienleistungen werden indexiert

Die Familienleistungen werden an die Schwankungsrate des durchschnittlichen Verbraucherpreisindexes und 25 % des realen Wachstums des Bruttoinlandsprodukts pro Einwohner angepasst.

Die repräsentativen Organisationen der Arbeitgeber, die repräsentativen Organisationen der Arbeitnehmer und die Organisationen, die die Interessen der Familien vertreten sind Teil des Verwaltungsrates der föderalen Agentur für Kindergeld, Famifed.

Es wird ein Rat für Familienleistungen geschaffen, der die Regierung in allen Fragen der Familienleistungen berät.  Die repräsentativen Organisationen der Arbeitgeber, die repräsentativen Organisationen der Arbeitnehmer und die Organisationen, die die Interessen der Familien vertreten, sind Mitglied des Rates.

 

 

Der Dekretvorentwurf soll am 1. Januar 2019 in Kraft treten. Zu diesem Zeitpunkt übernimmt die Deutschsprachige Gemeinschaft auch die Verwaltung und Auszahlung der Leistungen.

 

Für Familien, die vor Januar 2019 bereits Kindergeld erhalten, wird gemäß dem Konzept zur Übernahme der Familienleistungen der Betrag, den sie im Dezember 2018 erhalten haben festgehalten und weitergezahlt, bis es zu einer Änderung der Anzahl berechtigten Kinder kommt oder bis der neue Betrag vorteilhafter ist.

Neben diesen inhaltlichen Bestimmungen umfasst das Dekret eine Reihe von Verfahrensbestimmungen.

Für weitere Erläuterungen wird auf die allgemeine Begründung des Dekretvorentwurfes verwiesen.

Im Anschluss an die erste Lesung wurden die Gutachten des Rats für Familienleistungen, der Dienststelle für Selbstbestimmtes Leben und des Ausschusses für den Schutz des Privatlebens angefragt. Die entsprechenden Bemerkungen zu den Gutachten sind den Seiten 9-12 der allgemeinen Begründung des Dekretvorentwurfs zu entnehmen.

Weiterhin wurde im Anschluss an die erste Lesung folgende Änderungen vorgenommen.

Es wurde präzisiert, dass der eingetragene Wohnsitz nicht berücksichtigt wird, wenn die Person im Sinne der Gesetzgebung über die Bevölkerungsregister dort nicht lebt und ihren Wohnsitz hätte ummelden müssen. Dadurch finden die Ausnahmen, die das Bevölkerungsregister erlaubt, auch für das Kindergeld Anwendung. Es handelt sich z.B. um Studenten, die tatsächlich in der Nähe der Hochschule leben, aber im Ursprungshaushalt gemeldet bleiben,

Es wurde nach erneuter Konzertierung mit dem Fachbereich Jugendhilfe vorgesehen, dass der Kindergeldempfänger weiterhin ein Drittel des Kindergeldes erhält, wenn das Kind in einer Einrichtung untergebracht ist, da die Kinder in den meisten Fällen regelmäßig nach Hause zurückkehren. Anders als bei langfristigen Unterbringungen in Pflegefamilien, haben Erziehungsberechtigte weiterhin Kosten für die Erziehung des Kindes.

Es wurde eine erforderliche gesetzliche Grundlage für die Unterstützung bei Mehrlingsgeburten geschaffen. Die Regierung wird ermächtigt, diese Unterstützung per Erlass zu regeln.

Aufgrund eines Gespräches mit dem FÖD Soziale Sicherheit, der Dienststelle und dem Ministerium wird die Dienststelle nicht mehr wie im ersten Entwurf vorgesehen beauftragt die Einschätzung der Beeinträchtigung durchzuführen. Somit bleiben die aktuellen Ausführungserlasse, die als Grundlage für die Einschätzung dienen, anwendbar, solange die Regierung diese nicht abändert.Dies ist dadurch begründet, dass es vor allem für die Zuerkennung von Rechten, die an die Einschätzung der Beeinträchtigung gekoppelt sind, wie zum Beispiel den reduzierten Gas- und Elektrizitätstarif, wichtig ist, dass diese Einschätzung zumindest in einer Übergangszeit weiterhin durch den FÖD Soziale Sicherheit geschieht. Der FÖD Soziale Sicherheit soll dabei jedoch weiterhin gemeinsam mit der Dienststelle die ortsnahe Durchführung in deutscher Sprache sicherstellen. Letzteres soll im Rahmen einer Vereinbarung zwischen der Regierung, der Dienststelle und dem FÖD Soziale Sicherheit festgelegt werden.

Es wurde ein Übergangsmechanismus eingebaut, der verhindert, dass Kinder, für die das Recht im aktuellen System eröffnet wurde durch eine andere Person als die in Artikel 2 definierten Familienangehörigen, dieses Recht plötzlich verlieren.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Die Kosten der Leistungen, die im vorliegenden Dekretvorentwurf vorgesehen sind, wurden geschätzt mit Hilfe von Simulationen der föderalen Agentur für das Kindergeld, FAMIFED.

Im  Dekretvorentwurf wird für die Familien, auf die das neue System negative finanzielle Auswirkungen hätte, eine Übergangsregelung vorgesehen. Da somit für jeden Empfänger der vorteilhafte Betrag gewählt wird, entstehen Mehrkosten im Vergleich zum heutigen System.

Auf Grundlage von Simulationen von Famifed und unter Berücksichtigung des bedingungslosen Anrechts bis zu dem Monat in dem das Kind das Alter von 18 Jahren erreicht, konnten für das Jahr 2019, anhand der Beträge aus dem Konzept zur Übernahme der Familienleistungen von September 2016 Kosten in Höhe von 35.896.136 Euro errechnet werden.

Bei Beibehaltung des heutigen Systems würden 2019 Kosten in Höhe von 34.591.693 Euro entstehen. Vorliegender Dekretentwurf würde somit, anhand der Beträge aus dem Konzept zur Übernahme der Familienleistungen, im Jahr 2019 zu Mehrausgaben im Vergleich zum heutigen System in Höhe von 1.304.563 Euro führen.

Im Konzept zur Übernahme der Familienleistungen hat die Regierung für die verschiedenen Leistungen Beträge festgehalten. Diese sollen jedoch bis zum Inkrafttreten des neuen Systems der Indexentwicklung angepasst werden.

Je nach der Anzahl der Indexierungen, die bis 2019 stattfinden, ergeben sich die Beträge gemäß nachfolgender Tabelle . Es wurde jeweils der Betrag aus dem Konzept indexiert und dann zum vollständigen Euro auf- oder abgerundet.

Seit der Verabschiedung des Konzeptes wurde der Index einmal, im Mai 2017, überschritten. Das Planbüro geht im Juli 2017 davon, dass bis 2019 keine weitere Indexüberschreitung stattfindet.

In den Dekretvorentwurf wurden die Beträge des Konzeptes mit einer Indexierung eingefügt. Finden weitere Indexierungen statt, sind die Beträge im Dekretvorentwurf abzuändern.

 

Leistung

Konzept

Dekretvorentwurf (Indexüberschreitung Mai 2017)

Eine weitere Indexierung

Zwei weitere Indexierungen

Basiskindergeld

151 €

154 €

157 €

160 €

Jahreszuschlag

50 €

51 €

52 €

53 €

Zuschlag für kinderreiche Familien

130 €

133 €

135 €

138 €

Sozialzuschlag

72 €

73 €

75 €

76 €

Waisenzuschlag

230 €

235 €

239 €

244 €

Geburts- und Adoptionsprämie

1100 €

1122 €

1144 €

1167 €

Gesamtkosten

35.896.256 €

36.614.181 €

37.346.465€

38.093.394€

Unterschied zum heutigen System

1.304.563 €

1.330.654 €

1.357.267€

1.384.413€

 

Diese Finanzsimulationen umfassen nicht die Verwaltungs- und Personalkosten, die mit der eigenständige Übernahme der Verwaltung und Auszahlung des Kindergeldes entstehen.

4. Gutachten:

Das Gutachten des Rat für Familienleistungen vom 12. Juni 2017 liegt vor.

Das Gutachten der Dienststelle für selbstbestimmtes Leben vom 2. Juni 2017 liegt vor.

Das Gutachten des Ausschuss für den Schutz des Privatlebens vom 5. Juli 2017 liegt vor.

5. Rechtsgrundlage:

Artikel 5 §1 IV und Artikel 94 §1bis des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen.

Artikel 4 §2 des Gesetzes vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft.